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Brief in die Auberginenrepublik

Brief in die Auberginenrepublik

Titel: Brief in die Auberginenrepublik
Autoren: Abbas Khider
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wohnt.«
    »Was?«
    »Der Mann ist noch da, wenn Sie ihn fragen wollen?« Er zeigt auf einen Alten, der vor der Tür der Schule wartet.
    »Ja, ich will mit ihm reden!«
    »Haji Rahim! Bitte kommen Sie!«
    Der etwa sechzigjährige Mann, der ein schwarzes Hemd und eine schwarze Hose trägt, bewegt sich langsam auf uns zu und bleibt vor dem Auto stehen: »Asalam Aleikum!«
    »We Aleikum Asalam! Kennen Sie Samia Michael wirklich nicht?«
    »Sind Sie ihre Freundin?«
    »Ja, wir haben zusammen an der Universität studiert«, behaupte ich, weil ich merke, dass der Mann ziemlich ängstlich und verlegen meinen Blicken ausweicht.
    »Vor Jahren hat sie hier gewohnt, zusammen mit ihrer Familie. Vor zwei Jahren ist die Familie einfach verschwunden. Dort ist das Haus«, er deutet mit dem Finger auf ein einfaches Gebäude auf der rechten Seite. »Seitdem steht es leer.«
    »Haben Sie keine Ahnung, was aus Samia geworden ist?«
    »Wirklich nicht. Nur Gerüchte. Man behauptet, sie lebe jetzt im Ausland und studiere dort. Vielleicht in Österreich. Keine Ahnung, wie all diese Länder heißen. Ihre Familie soll im Norden, in Kurdistan leben. Sie sind ja kurdische Christen. Dort leben ihre Verwandten.«
    »Vielen Dank!«
    »Gern geschehen! Gott schütze Sie!«
    Ashraf bedankt sich gleichfalls bei dem alten Mann und steigt ein.
    »Wohin?«
    »Weiter! Tiefer in die City. Ich will alles sehen.«
    Ashraf fährt los, während der alte Rahim hinter uns her winkt.
    Irgendwie beruhigt und erleichtert mich diese Auskunft. Samia hält sich nicht mehr im Land auf. Aber was ist mit Salim, der immer noch versucht, Samia zu erreichen? Trotz allem, für Samia ist es ein Happy End. So kann ich den Brief jetzt einfach ins Arbeitszimmer zurücklegen und werde niemals darüber reden.
    Hinter den Fensterscheiben des Wagens betrachte ich die Häuser und Menschen der Gegend. Chaos ohne Ende. Mittendrin unzählige Porträts des Präsidenten, überall. Plötzlich eine Ansammlung von Menschen. Einige stehen auf dem Bürgersteig, andere sogar auf der Straße, wo die Autos fahren. Wohl ein Basar, unendlich groß und hektisch. Das Auto bewegt sich nur langsam vorwärts, weil die Straße fast blockiert ist. Überall Leute, die alles Mögliche verkaufen. Sogar Tauben und Schlangen kann ich erkennen. Fast alle rufen sie gleichzeitig nach Kundschaft. Musik spielt. Ein junger Bursche tänzelt auf dem Bürgersteig, vor ihm auf dem Boden liegen ein Kassettenrekorder und viele Kassetten. Die Musik klingt wie Hochzeits- und Discomusik, es wird viel getrommelt und wenig gesungen.
    »Das ist der Basar Mridi. Hier gibt es wirklich alles zu kaufen. Alles, ohne Ausnahme. Hier mit dem Auto zu fahren, ist eine Katastrophe. Immer Stau«, erzählt Ashraf.
    Tatsächlich bewegt sich unser Wagen wie eine Schildkröte.
    »Chaotisch, so viele Menschen und so viel Müll!«
    »Das ist hier so! Schon immer gewesen.«
    Ich verfolge weiter mit angeekelter Faszination das Geschehen auf dem Basar. Plötzlich taucht ein Hund aus der Menge auf und etliche Männer, die ihn verfolgen. Einige Menschen lachen. Ich schaue auf das räudige Tier und bemerke, dass links und rechts auf seinem Körper in weißer Farbe »Saddam« geschrieben steht. Die Buchstaben sind groß und für alle deutlich lesbar. »Der arme Hund«, sage ich. »Wer macht so etwas?« Ashraf antwortet nicht. Vielleicht, weil er meine Frage nicht gehört hat?
    Der Hund rennt weiter, die Männer hinterher. Einige Polizisten in Uniform sind auch dabei. Bewaffnet. Einer von ihnen ruft: »Nehmt ihn fest! Knallt ihn ab!« Der Hund versucht, sich aus der Menschenmenge zu befreien. Er muss unendliche Angst haben, ist aber schnell und mischt sich schließlich unter die Massen des Basars, die Männer noch immer hinter ihm her.
    »Was ist hier los, Ashraf?«
    »Bestimmt einige, die Ärger anzetteln wollen. Sie haben den Namen des Präsidenten auf das Hundefell geschrieben! Ungezogene Kinder!«, sagt er.
    »Und die Männer hier?!«
    »Polizisten und Regierungstreue, die den Hund festnehmen wollen. Mit der Absicht zu verhindern, dass der Köter beim Namen des Präsidenten gerufen wird!«
    »Und der arme Hund? Gehört er denn niemandem?«
    »Unzählige streunende Köter kommen vor allem nachts, aber auch tagsüber vom Stadtrand Bagdads in die Stadt. Die Regierung versucht die Ausbreitung der Hunde zu bekämpfen, aber sie vermehren sich wie die Fliegen.«
    »Und was wird aus diesem hier?«
    »Bestimmt wird er heute noch erschossen. Dass der Name des
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