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Brief in die Auberginenrepublik

Brief in die Auberginenrepublik

Titel: Brief in die Auberginenrepublik
Autoren: Abbas Khider
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»Der da.« Der kräftige Mann vor dem Fernseher raucht Wasserpfeife, trinkt Tee, schreibt dabei etwas in ein vor ihm auf dem Tisch liegendes Heft und schaut gleichzeitig flüchtig einen Bollywood-Film. Er wirkt selbstbewusst. Durch die Macht des Geldes ist er unberechenbar, denke ich.
    »Asalam Aleikum. Sind Sie Malik? Ich heiße Salim. Der irakische Friseur Jafer hat Ihnen bestimmt von mir erzählt. Ich habe einen Brief.«
    »200 Dollar jetzt, und wenn Sie die Antwort bekommen, weitere 50 Dollar.«
    »Ich weiß und bin einverstanden.«
    »Haben Sie die Telefonnummer des Empfängers auf dem Briefumschlag notiert?«
    »Nein. Meine Familie hat keine Festnetznummer.«
    »Na gut, und die Adresse?«
    »Hier«, antworte ich und reiche ihm den Brief.
    Er betrachtet den Briefumschlag genauer und liest laut: »Absender: Salim Al-Kateb, Bengasi, Libyen. Empfänger: Samia Michael, Joader – Saddam City, Block 58, die Straße gegenüber der Al-Thoura High-School (bitte den Hausmeister der Schule fragen!), Bagdad, Irak.« Er hebt den Kopf und fragt mich genervt: »Das soll eine Adresse sein?«
    »Ja.«
    »Lassen Sie das Geld hier. Nach Ablauf eines Monats fragen Sie diesen schwarzen sudanesischen Kerl!« Dabei deutet er auf den Kellner. »Er teilt Ihnen dann mit, ob eine Antwort gekommen ist oder nicht. Vergessen Sie beim Gehen nicht, meine Rechnung beim Kellner zu bezahlen!«
    »Rechnung?«
    »Meine Getränke und die Wasserpfeife. Auf Wiedersehen!«, sagt er, dreht sich um und ruft dann: »Haytham Mursi, komm her!«
    Ein älterer Mann, der mit weiteren Männern an einem Tisch sitzt und Karten spielt, eilt herbei.
    »Ja, Herr.«
    »Wann fährst du heute los nach Kairo?«
    »Um 17 Uhr.«
    »Nimm diesen Brief und gib ihn zusammen mit den anderen Briefen und Dokumenten in unserem Partnerbüro Transit in Kairo ab, am besten überreichst du sie dem Büroleiter Majed Munir persönlich!«
    »Ja, Herr!«
    »Verschwinde jetzt!«
    Ich schaue Maliks Gesicht an und fühle eine seltsame Freude in mir aufsteigen. Ja, er ist ganz gewiss ein geldgeiler Typ, ein Geschäftsmann. So benehmen sie sich immer, wie Arschlöcher. Großartig. Meine Hoffnung steigt, dass der Brief tatsächlich in Samias Händen landet.
    »Warum stehen Sie immer noch da?«, überrascht mich Malik.
    »Nichts. Das Geld!«, antworte ich und lege die 200 Dollar auf den Tisch.

Zweites Kapitel

Haytham Mursi, 54 Jahre alt, Taxifahrer
Freitag, 1. Oktober 1999
Bengasi, Libyen

    Noch immer verärgert wegen meines Chefs Malik Gaddaf-A-Dam, stehe ich vor dem Café Der Orient. Vor einigen Minuten war der ziemlich unfreundlich zu mir. Ich weiß überhaupt nicht, weshalb. Ich schufte wie ein Esel für ihn und habe mir nie etwas zuschulden kommen lassen. Habe ich das verdient, von diesem Herrn so behandelt zu werden? Er geht andauernd auf Partys, trinkt viel Alkohol, geht obendrein fremd und lässt seine Frau und seine Kinder ständig allein! Aber ich soll verschwinden? Dabei bin ich um einiges älter als er! Er soll gefälligst Respekt vor meinem Alter und meinen grauen Haaren zeigen. Er springt mit mir um wie mit einem Knecht, und ich soll mich ihm beugen? Nur weil er reich ist und zum Gaddafi-Stamm gehört? Gott ist weit größer als Gaddafi und seine Familie! Mit welchem Recht behandelt er die Menschen wie Sklaven? Ich verfluche die verdammte Not! Ich schwöre bei Gott, wenn die Armut ein Mann wäre, würde ich ihn erbarmungslos töten!
    Gott, ich bitte Dich um Verzeihung! Wirklich, ich sollte versuchen, mich zu beruhigen. Es lohnt nicht, meine Zeit dem ungläubigen Malik zu opfern.
    Ich schlucke meine Wut hinunter, setze mich ins Auto, starte den Motor und zünde währenddessen eine Zigarette an. Den neuen Brief lege ich zu den anderen Dokumenten in einen großen Umschlag auf die Ablage vor dem Lenkrad. Ich schalte die Klimaanlage ein und fahre in die Nasserstraße. Sie ist fast menschenleer, ebenso wie die Strandpromenade. Nur einige Taxifahrer lümmeln gelangweilt vor dem mächtigen turmhohen Hotel Tebisty. Wenige Autos und Menschen lassen sich blicken. Die Szenerie erinnert mich an einen Film, den ich mal gesehen habe, in dem sich die Menschen in den Häusern verstecken, während die Leichen anfangen, draußen spazieren zu gehen.
    Eigentlich mag ich es, mit dem Auto unterwegs zu sein. In meinem modernen Kombi, den ich seit zwei Jahren fahre, fühle ich mich wie ein König auf seinem Thron. Einmal die Woche eine Fahrt nach Kairo, hin und zurück. Vorher fuhr ich einen anderen
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