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Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall

Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall

Titel: Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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ein verrückter Kerl!
    Bereits kurz nach dem Mittagessen hatten die ausgewählten Quizshow-Kandidaten gemeinsam mit der professionellen Vorbereitung auf die Ratesendung begonnen. Seit diesem Zeitpunkt drehte sich bei den Tannenbergs alles nur noch um dieses eine Thema.
    In jeder freien Minute wurden die von Event-TV gegen Entrichtung einer beachtlichen Geldsumme erworbenen Trainingsprogramme durchgearbeitet, Videoaufzeichnungen von vorherigen Sendungen analysiert, das Internet nach hilfreichen Tipps und Erfahrungsberichten anderer Kandidaten durchstöbert, Lexika und Zeitschriftenberge gewälzt. Alle diese verstreuten Informationen wurden zu verschiedenen Themenblöcken gebündelt, für die jeweils einer der drei Kandidaten als Experte auserkoren und zur individuellen Vorbereitung verpflichtet wurde.
    Schon sehr bald war Wolfram Tannenberg dieser hektische Aktionismus ziemlich auf die Nerven gefallen. Nicht zuletzt deshalb, weil sich durch die ständige Konfrontation mit dem immer näher heranrückenden Liveauftritt seiner Familie die eigene Anspannung mehr und mehr steigerte. Schließlich wurden sie zur besten Sendezeit Millionen Fernsehzuschauern präsentiert. Hoffentlich blamieren sie sich nicht, schickte er mehrmals täglich Stoßgebete gen Himmel.
    Um sich von diesem Psychostress abzulenken, blieb er in diesen Wochen viele Stunden länger als nötig im Kommissariat. Und das, obwohl er eigentlich seine Überstunden abfeiern sollte, die sich wegen des Einsatzes bei der Fußball-WM auf seinem Dienstzeitkonto angesammelt hatten.
    Sein Beruf bot ihm allerdings in dieser aufregenden Vorbereitungsphase nicht die gewünschte Zerstreuung, die er sich erhofft hatte. Denn es war in dienstlicher Hinsicht eine sehr unspektakuläre, um nicht zu sagen ausgesprochen langweilige Zeit: Im Zuständigkeitsbereich des K 1 war seit mehreren Monaten kein einziger Mord mehr passiert. Lediglich eine Körperverletzung mit Todesfolge und zwei Suizidfälle hatten die Mitarbeiter des K 1 zu bearbeiten gehabt – kriminalpolizeiliche Routinearbeit eben.
    Irgendwann fasste Tannenberg den Entschluss, dem häuslichen Dauerstress zumindest für ein paar Tage zu entfliehen. Deshalb war er vor zwei Wochen nach Nettetal gefahren, um seinem holländischen Freund Benny de Vries einen spontanen Besuch abzustatten. Das letzte Wochenende hatte er gemeinsam mit Ellen Herdecke in den Hochvogesen verbracht.
    Eigentlich wollte ich mich dort von meiner Familie erholen, dachte er, während er ungeduldig an der Ampel wartete. Aber Erholung war das ja wohl nicht. Fragt mich Ellen doch tatsächlich, ob ich nicht bald zu ihr ziehen möchte. Aber das will ich nicht! Das ist mir ein viel zu großer Schritt. Die gehen mir zwar manchmal ganz schön auf den Keks zu Hause, aber ausziehen? Nee!
    Das geht ja auch schon deshalb nicht, weil Ellen keine Hunde mag und eines ihrer Kinder eine Tierhaarallergie hat. Und ein Leben ohne Kurt – nee, nee. Das kommt gar nicht in Frage! Dann lassen wir doch lieber alles so, wie es ist. Oder wir lassen es ganz. Wäre sowieso vielleicht das Beste für uns beide.
    In einem tiefen Zug sog er die nasskalte Novemberluft in die Lungen und entließ sie seufzend wieder in die Freiheit.
    Irgendwie passen wir auch einfach nicht richtig zusammen. Ja, sie ist zwar unheimlich lieb und verständnisvoll, sagte er zu sich selbst, so als wolle er sich mit Durchhalteparolen Mut für eine Fortdauer der Beziehung machen.
    In Gedanken versunken schob er mit seiner Schuhspitze einen Zigarettenstummel in den Rinnstein.
    Aber immer und überall dieser nervige Kulturkram: In jedem Kaff in die Kirche rein, hier ein Museumsbesuch, dort eine Galerie. Sogar im Elsass! Ich wollte eigentlich nur durch die Vogesen wandern, die Natur genießen, gut essen und trinken. Verdammt, ich bin einfach nicht mehr fähig zu einer dauerhaften, tiefen Beziehung. Ich hab auch keine Lust mehr auf diese andauernden Begründungen, warum ich das und das nicht will, warum ich schon wieder schlecht gelaunt bin.
    »Hal-lo, Che-ef«, polterte Petra Flockerzie unvermittelt in Tannenbergs Selbstgespräch hinein.
    Verdutzt riss der Leiter des K 1 seinen Blick vom nassen Asphalt nach oben. Auf der anderen Straßenseite stand seine Sekretärin und winkte ihm zu. Sie trug eine beige, lässig geschnittene Übergangsjacke, die ihre Körperfülle geschickt verbarg.
    Die Ampel wurde grün und Tannenberg überquerte die mehrspurige Hauptverkehrsstraße.
    Ein wenig außer Puste begrüßte sie
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