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Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall

Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall

Titel: Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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    Marco Kern erhob sich von der roten Ledercouch und schlenderte lässig auf die Führungskamera zu. Seine vor Selbstbewusstsein strotzende Körpersprache drückte genau das aus, was er nach Meinung vieler Fernsehzuschauer derzeit auch war: der ungekrönte König der deutschen Jungmoderatoren-Zunft.
    Plötzlich blieb er stehen. Sein stechender Blick bohrte sich tief ins Objektiv. »Meine Damen und Herren«, begann er theatralisch, »ich bin mir sicher, dass auch Sie zu Hause vor Ihren Bildschirmen dieses Knistern spüren, diese schier unerträgliche Spannung, die hier bei uns in dieser wunderschönen alten Halle herrscht.«
    Dann hielt er kurz inne. Sein Gesicht leuchtete auf. Mit anschwellender Stimme fuhr er fort: »Kein Wunder! Denn wir haben nun fast das Ende der ersten Spielrunde erreicht.«
    Er klatschte in die Hände, knetete sie. Erneut ließ er einen Augenblick verstreichen, bevor er ergänzte: »Ich sage es Ihnen gerne noch einmal: Der Maximalgewinn beträgt auch heute Abend wieder zehn … Millionen … Euro . Eine Eins mit sieben Nullen!« Auf der großen Studioleinwand erschien die beeindruckende Zahl in glitzernder Leuchtfarbe. »Das Geld befindet sich bereits hier in der Halle. Natürlich unter strengster Bewachung.«
    Das Bild auf der Leinwand wechselte: Sowohl die Hallengäste als auch die Zuschauer an ihren Fernsehgeräten begleiteten nun einen Kameramann dabei, wie er durch einen engen Flur eilt und wenig später einen lichtdurchfluteten Raum betritt. Zentraler Blickfang waren zwei goldene Metallkoffer, um die herum wie bei einer Sargwache vier finster dreinblickende Security-Mitarbeiter postiert waren.
    Unterdessen nahm Marco Kern seine rechte Schulter zurück und wies mit einer ausladenden Geste auf eine Sitzgruppe hin, von der er sich ein paar Sekunden zuvor entfernt hatte. Die Führungskamera schwenkte an seinem Arm vorbei und zoomte nacheinander auf die einzelnen Quizteilnehmer.
    » Eine dieser vier Familien hat schon bald die Riesenchance, diesen außergewöhnlich hohen Geldbetrag zu gewinnen«, verkündete der Starmoderator. » Eine dieser Familien kann heute Abend steinreich werden. So reich, dass keiner von ihnen jemals mehr zu arbeiten braucht. Vielleicht sind es ja die Tannenbergs – unsere Lokalmatadoren hier aus Kaiserslautern. Tobias, das jüngste Mitglied dieses Teams hat ja bereits die erste Hürde mit Bravour gemeistert. Jetzt bin ich sehr gespannt darauf, ob der junge Mann auch die Frage, die ich ihm gleich stellen werde, innerhalb einer Minute richtig beantworten kann.«
    Schnitt – das grinsende Gesicht Marco Kerns in Großaufnahme. »Aber zuerst gibt’s noch eine Werbepause.« Er drohte scherzhaft mit dem Zeigefinger. »Jetzt nur nicht weggehen! Damit Sie ja nichts verpassen, wenn es nachher weitergeht – mit der Zehn-Millionen-Euro-Show.«
    Das Mienenspiel des Moderators veränderte sich schlagartig. Seine Gesichtszüge entspannten sich, er atmete ein paar Mal tief durch. Mit schnellen Schritten verschwand er hinter der Bühne, wo ihn in seiner Garderobe eine junge Maskenbildnerin zum Abpudern erwartete.
    Während er mit geschlossenen Augen die notwendige Prozedur über sich ergehen ließ, hatte ein paar Meter von ihm entfernt der Einpeitscher seinen großen Auftritt. Mit einem Mikrofon in der Hand sprang er auf die Bühne und wandte sich fordernd ans Publikum:
    »So, Leute, und wir nutzen jetzt die Zeit zum Üben. Von euch muss nämlich noch ein bisschen mehr Engagement kommen. Wir sind hier schließlich nicht im Altersheim. Ihr könnt das doch viel, viel besser. Nicht wahr?«
    Vereinzelt erklang ein eher zögerliches ›Ja‹.
    »Ich hab eben fast gar nichts gehört.« Er kniff die Augen zusammen, wiegte unzufrieden den Kopf hin und her. »Nicht wahr?«, wiederholte er dieselben Worte, diesmal allerdings mit einer bedeutend schärferen Klangfärbung versetzt.
    »Jaaaa.«
    »Gut, das war schon besser. Aber es war immer noch nicht gut genug. Also noch mal. So laut ihr könnt!«
    »Jaaaa«, dröhnte es nun vielstimmig zurück.
    »Okay! Ihr müsst stets daran denken: Wir sind heute Abend alle supergut drauf! In dieser Halle herrscht eine Bom-ben-stimmung. Bei uns hier geht es volle Kanne ab. Deshalb müsst ihr immer schön auf mein Zeichen achten. Und wenn ihr es seht, müsst ihr es sofort richtig schön krachen lassen! Ist das jedem von euch klar?«
    »Jaaa.«
    Mit eindeutigen Handbewegungen beschwichtigte er daraufhin die Menge. »Okay, okay, das reicht. Nun zum
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