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Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall

Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall

Titel: Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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nicht«, pflichtete Wolfram Tannenberg seinem Bruder bei.
    Jacob nahm nun wieder seinen jüngsten Sohn ins Visier. Er deutete mit dem Zeigefinger auf ihn und sagte: »Du zum Beispiel hast doch überhaupt nichts von mir. Vielleicht bin ich ja gar nicht dein Vater.«
    Für ein paar Sekunden kehrte Grabesstille in der Wohnküche ein.
    Margot brach als Erste das Schweigen. Ihre Augen funkelten vor Zorn: »Was willst du damit sagen? Willst du mir etwa unterstellen, dass …«
    »Ich will dir gar nichts unterstellen«, versuchte ihr Mann zu retten, was noch zu retten war. »Das ist doch nur Spaß gewesen, was ich eben gesagt habe. Aber hier steht’s halt.«
    Er tippte auf den Zeitungsartikel und las daraus vor: »›Hunderttausende Kuckuckskinder in Deutschland‹ – Fragezeichen. Die Genforschung macht’s möglich: Väter wehren sich mit geheimen Vaterschaftstests gegen untergeschobene Kinder. Die Justizministerin will schon bald diese Tests verbieten und uneinsichtige Männer mit Haft bis zu einem Jahr bestrafen.«
    »Das ist ja wohl auch richtig so«, mischte sich Betty ein. Sie warf ihre kupferfarbene Lockenpracht in den Nacken und verkündete. »Wo kämen wir denn hin, wenn die Männer ungestraft ihre Frauen ausspionieren dürften!«
    Wolfram Tannenberg holte gerade tief Luft, um zur engagierten Gegenrede zu starten, aber sein Vater war schneller: »In Afrika sagen die: ›Motters Babi, Vatters Maibi‹.«
    »Hmh?«, brummte Tannenberg verständnislos. »Maibi? Was soll’n das sein? Zeig mal her.« Bevor der Senior seiner Aufforderung nachkommen konnte, hatte sein jüngster Sohn sich bereits erhoben und neugierig über die Zeitung gebeugt. Er lachte auf: »›Maybe‹ heißt das.«
    »Mach dich nur über deinen alten Vater lustig«, schimpfte Jacob. »Wir haben diesen Amikram in der Volkschule halt nicht gelernt.«
    Ohne auf diese vorwurfsvolle Bemerkung zu reagieren, amüsierte sich Tannenberg weiter: »Guter Spruch«, stieß er nickend hervor: »Mother’s baby, father’s maybe.«
    »Und was heißt das jetzt?«, knurrte der alte Mann. Über seine Lesebrille hinweg feuerte er einen forschen Blick hinüber zu seiner Schwiegertochter.
    Betty, von Beruf Englischlehrerin, trat nun mit geballter Fachkompetenz auf den Plan. In tadellosem Englisch wiederholte sie den von ihrem Schwager vorgetragenen Satz. Anschließend übersetzte sie ihn: »Wörtlich heißt das: ›Mutters Baby, Vaters vielleicht. Das wiederum …«
    »Ich weiß schon, was das heißt, liebe Elsbeth. Ich komme ja nicht vom Mond. Spiel dich mal nicht so auf«, fuhr ihr der Senior über den Mund. »Wer von uns beiden stammt denn von einem Hinterpfälzer Bauernhof, he? Du oder ich? Pariser Schühchen für Sippersfelder Füße. Pass ja auf, dass du dir dabei nicht die Haxen brichst!«
    Tannenberg grinste schadenfroh in sich hinein, denn normalerweise war er derjenige, der seine streitbare Schwägerin mit ihrem Geburtsnamen und ihrer rustikalen Herkunft provozierte.
    »Kommt, hört endlich auf zu streiten«, versuchte Margot zu schlichten. »Wir wollen jetzt in Ruhe essen.«
    Doch bereits Sekunden später missachtete sie als Erste ihren eigenen Appell. Die Ursache lag wohl darin begründet, dass sie anscheinend noch eine kleine Rechnung mit ihrem Mann offen hatte: »Jacob, schlürf nicht so laut und schlingt die Dampfnudel nicht so schnell runter«, giftete sie von der Seite her.
    Aber der Senior ließ sich von diesem Einwurf nicht sonderlich beeindrucken. Er schlürfte weiter die heiße Kartoffelsuppe und verleibte sich dazu schmatzend abgebrochene Dampfnudelstückchen ein. »Ich hab’s halt eilig«, gab er kurz angebunden zurück.
    »Wieso hast du es eilig? Es ist doch Samstag«, entgegnete Margot.
    Tannenberg nahm das kleine verbale Scharmützel seiner Eltern nur am Rande wahr. Seine Sinneskanäle konzentrierten sich nahezu vollständig auf den Genuss der über alles geliebten Leibspeise. Er hielt sich eine intensiv nach Hefe und Salz duftende Dampfnudel unter die Nase und schnuffelte mit geschlossenen Augen daran. Dann schlug er seine Fingerspitzen in die zähe, ölig glänzende Haut, riss einen Fetzen der weißen Masse heraus, dippte ihn unter den missbilligenden Blicken seiner Schwägerin in die Kartoffelsuppe und schob ihn langsam in seinen Mund. Diese Prozedur wiederholte er so lange, bis nur noch die dicke, schwarzbraune Salzkruste übrig war. Dann strich er sich reichlich Butter auf die ungebratene Seite und vertilgte mit kleinen Bissen
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