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Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall

Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall

Titel: Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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irgendwas mit einem Vogel, weiß ich ganz genau.«
»Mit einem Vogel?«, wundert sich der Polizist.
Wohl ein Zoogeschäft das Richtige für Sie ist.«
»Ach, ohne Grund käm ich doch nie an diesen Ort.
Jawohl, ich hab’s: erdrosselt heißt das Wort.«
    »Das ist gut«, feixte Jacob. Er hatte während des Gedichtvortrags die Zeitung auf den Tisch niedersinken lassen und klopfte sich nun auf die Oberschenkel. »Das ist wirklich gut! Geamselt? Nein: erdrosselt!« Er konnte kaum mehr an sich halten, lachte schallend weiter. »Das muss ich unbedingt am Montag denen im Tchibo vorlesen.«
    Margot warf ihrem Ehemann einen tadelnden Blick zu, der sogleich wie ein Schalldämpfer wirkte: Das herzhafte Männerlachen schwoll ab, bis es schließlich in einem spontanen Hustenanfall erstickte. Jacob atmete tief durch und räusperte sich mehrmals. Grinsend wandte er sich wieder seiner Zeitungslektüre zu. »Geamselt hab ich eben meine Frau«, murmelte er in ein unterdrücktes Lachen hinein.
    Margot wandte sich kopfschüttelnd zum Herd um und rührte die Kartoffelsuppe noch einmal durch. Anschließend hob sie nacheinander die beiden schweren Deckel von den großen, gusseisernen Töpfen, wischte mit einem Geschirrhandtuch eilig das Kondenswasser ab und verschloss sie wieder.
    Tannenberg kroch eine verführerische Duftspur in die Nase. »Mutter, wie lange dauert’s denn noch?«, fragte er ungeduldig. Wenn er nur daran dachte, was in diesen antiquiert anmutenden Gusstöpfen gerade in einer Salzlake vor sich hinbrutzelte, lief ihm das Wasser im Munde zusammen. Und dann auch noch dieser wunderbare Geruch.
    »Ich halt’s wirklich kaum mehr aus«, jammerte er weiter.
    »Ach, geht es dir mal wieder nicht schnell genug? Du sollst mich doch nicht so hetzen«, beschwerte sich die alte Dame.
    Sie liebte ihre Söhne zwar abgöttisch, aber beim Kochen ertrug sie nun mal keine Hektik. »Du weißt genau, dass die Dampfnudeln eben ihre Zeit brauchen. Wenn ich sie zu früh raushole, bekommen sie nicht die dicke Kruste, die gerade du doch immer haben willst, Wolfi.«
    Wie stets, wenn sie ihn mit dieser ungeliebten Koseform seines Vornamens titulierte, stellten sich bei Wolfram Tannenberg auch diesmal sofort die Nackenhaare. Aber seit einiger Zeit ließ er diese Verunglimpfung kommentarlos über sich ergehen. Zähneknirschend hatte er einsehen müssen, dass es überhaupt keinen Zweck hatte, seine Mutter um Unterlassung zu bitten, denn sie ließ sich partout nicht von ihrer Marotte abbringen.
    Margot füllte die dampfende Kartoffelsuppe in eine Terrine und stellte sie auf den Tisch. Heiner, der inzwischen ebenfalls am Küchentisch Platz genommen hatte, schnappte sich den Schöpflöffel.
    »Hei-ner«, versetzte Mutter Tannenberg in rügendem Tonfall, »wir warten, bis deine Frau und meine Enkel da sind.«
    So als ob die restlichen Mitglieder der Großfamilie die ganze Zeit über vor der Tür auf diesen Satz gewartet hätten, betraten nun Betty Tannenberg und ihre beiden Kinder Marieke und Tobias die Küche.
    Betty, mit einem farbenfrohen, indischen Gewand bekleidet, überreichte zuerst ihrem Mann mehrere Briefe und dann dem Senior ein größeres Couvert. Doch ehe es sich die beiden Männer versahen, hatte Margot die Post wieder eingesammelt und den kleinen Stapel links neben der Spüle abgelegt. Sie stemmte die Arme in die Hüften. »Jetzt wird erst mal gegessen«, stellte sie unmissverständlich klar.
    Während sie vorsichtig eine Dampfnudel nach der anderen aus den gusseisernen Töpfen kratzte, nahm Jacob plötzlich seinen jüngsten Sohn mit einem prüfenden, nachdenklichen Gesichtsausdruck in Augenschein.
    Tannenberg fing den seltsamen Blick auf. »Was ist denn los, Vater, warum guckst du mich so komisch an?«
    »Also, wenn ich mir den Herrn Hauptkommissar näher anschaue«, bemerkte der Senior mit lang gezogenen Worten. Er stockte, fasste sich ans Kinn und knetete es ein wenig. »Dann ist es wirklich so, wie’s in der Bildzeitung steht.« Er kratzte sich am Kopf, betrachtete nun auch noch seinen anderen Sohn mit derselben skeptischen Miene.
    »Was denn?«, fragte Heiner verwundert.
    »Na ja«, seufzte der Senior, »als Mann kann man sich eigentlich nie sicher sein, ob die Kinder, die man großzieht, auch tatsächlich die eigenen sind – also solche, die man selbst gemacht hat.«
    Margot riss entsetzt Augen und Mund auf, brachte aber keinen Ton heraus.
    Heiner schürzte die Lippen. »Selbst gemacht? Ich versteh nicht, was du meinst.«
    »Ich auch
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