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Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall

Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall

Titel: Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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Luft durch die Nase. »Soll das etwa ein Beweisanzeichen in Ihrer Indizienkette werden, Herr Oberinspektor? Dass ich nicht lache!« Er warf den Stummel seiner Zigarette neben sich auf den Boden und trat die Glut aus.
    Tannenberg ließ ihn kommentarlos gewähren. Aber nicht etwa, weil er diesen provokativen Akt toleriert hätte. Nein, er hatte ihn überhaupt nicht registriert. Denn bei dem nur in Juristenkreisen geläufigen Fachbegriff ›Beweisanzeichen‹ hatten bei ihm sofort die Alarmglocken zu läuten begonnen. Er hatte sich noch nicht einmal ansatzweise von seinem ersten Schock erholt, als der junge Künstler etwas verkündete, das ihn noch weitaus mehr erschaudern ließ.
    »Herr Oberinspektor, wie Sie ja selbst wissen, kann diese Bandaufnahme nur dann von einem Gericht als Beweismittel zugelassen werden, wenn der Angeklagte dem zustimmen würde.« Während Michalsky dies sagte, zog er seelenruhig ein Papierchen und eine Portion Feinschnitt aus seinem Tabaksbeutel und begann sich eine Zigarette zu drehen. »Im Übrigen möchte ich jetzt endlich meinen Anwalt sprechen – wozu Sie nach § 114 b StPO verpflichtet sind.«
    »Ja, ja, gleich«, gab Tannenberg konsterniert zurück. »Woher wissen Sie das denn alles?«
    »Wieso fragen ausgerechnet Sie mich das? Sie gehören doch sicherlich auch zu dieser genialen Familie, die seit gestern Abend in ganz Deutschland dafür bekannt ist, dass sie selbst die schwierigsten Fragen beantworten kann. Oder haben Sie mit denen etwa nichts zu tun?«
    Er wartete einen Augenblick. Das Schweigen des Kriminalbeamten deutete er als Zustimmung und fuhr deshalb fort. »Hab ich mir doch gleich gedacht, dass Sie zu diesem komischen Familienclan gehören. So viele von Ihrer Sorte wird es in dieser abgefuckten Stadt ja auch nicht geben.« Anschließend entzündete er seine neue Zigarette, nahm eine gierigen Zug und blies Tannenberg den Qualm ins Gesicht.
    Treib es nicht auf die Spitze, mein Junge!
    »Ach, Herr Oberinspektor, probieren Sie es doch auch einmal – und raten.« Er inspizierte eindringlich die verkniffene Mimik seines Gegenübers. »Obwohl, wenn ich Sie mir so anschaue, sieht es nicht unbedingt so aus, als ob Sie im Augenblick geistig auf der Höhe wären.«
    Ein Rumpelstilzchen-Kichern erklang. »Also will ich Sie hiermit erlösen: Die einzige logische Antwort auf die von Ihnen gestellte Frage lautet: Ich habe einige Semester Jura studiert. Im Gegensatz zu Ihrer Familie kommen Sie jetzt aber in unserer kleinen Quizshow keine Runde weiter, sondern sind hiermit leider aus dem Spiel.«
    Es war so, als ob inmitten einer schon gewonnen geglaubten Schachpartie der Gegner plötzlich eine zusätzliche Dame erhalten hatte. Wolfram Tannenberg spürte, wie es ihm die Kehle abschnürte und ihm schwindelig wurde. Diesen Triumph wollte er Michalsky nicht gönnen. Er nahm seine letzte Kraft zusammen und verließ mit einer fadenscheinigen Begründung das Befragungszimmer. Mit hängendem Kopf schlurfte er zur Toilette und hielt sein Gesicht unter das eiskalte Wasser.
    Das gibt es einfach nicht, sagte er zu sich selbst. Dieser Mistkerl spielt uns den zugekifften, hysterischen Kasper vor und dabei hat er sich anscheinend auf alle Eventualitäten vorbereitet. Ganz cool lässt der uns hier auflaufen. Und das Allerschlimmste: Mit dem, was er gesagt hat, hat er den Nagel genau auf den Kopf getroffen.
    Tannenberg blickte in sein triefend nasses Gesicht. Auch damit hatte Michalsky recht gehabt: Er sah im Moment wirklich nicht gerade aus, als sei er ein psychisch stabiler, überlegener Ermittler, der einem Beschuldigten Angst und Schrecken einjagen konnte. Eher erinnerte der Mann im Spiegel an einen übernächtigten Zecher, den man zwangsweise unter die Dusche gestellt hatte.
    Mensch, reiß dich zusammen, du Weichei!, schimpfte seine innere Stimme ohne Rücksicht auf sein Selbstmitleid. Angeschlagene Boxer sind die gefährlichsten! Lass dir eben mal was Anständiges einfallen!
    Aber wie soll ich diesem eiskalten Hund denn die Morde nachweisen? Außer dem Tonband hab ich doch gar nichts gegen ihn in der Hand. Und auch das nutzt mir nichts. Weil es kein Richter als Beweismittel zulassen wird.
    Er zermarterte sich sein Hirn, aber ihm wollte partout nichts Vernünftiges einfallen. Er stöhnte, legte die Stirn an das kalte Spiegelglas. Er schloss die Augen, rieb sich die Schläfen.
    Wie aus dem Nichts tauchte vor seinem geistigen Auge urplötzlich eine Filmsequenz auf: Er trifft im Wald am Hungerbrunnen
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