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Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall

Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall

Titel: Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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sie ihre Kollegen hinter der Einwegscheibe nicht aus den Augen ließen, befreite sie Michalsky von seinen Handfesseln und erlaubte ihm sogar zu rauchen. Allerdings führte diese weiche Befragungsstrategie zu keinem greifbaren Ergebnis, denn der junge Künstler blieb auch weiterhin verschlossen wie eine Auster.
    Mertel sorgte unterdessen für eine kleine Stärkung. Wie ein Oberkellner servierte er drei bis zum Rand mit Mirabellengeist gefüllte Schnapsgläser. Auf dem Silbertablett befand sich zudem eine schwarze Kassette. Tannenberg kippte seinen Obstbrand in einem Schwung die Kehle hinunter. Dann hob er, so als ob er nun schwören wolle, die rechte Hand. Die anderen taten es ihm gleich.
    Während sie sich nacheinander abklatschten, verkündete Tannenberg: »Auf in den Kampf, Jungs. Dann werden wir diesem Sandsteinkasper jetzt mal richtig einheizen.«
    Die anderen beiden nickten stumm.
    Er nahm die Kassette an sich und sog in einem tiefen Zug die kühle Kellerluft ein. Dann drückte er die Klinke hinunter. »Wissen Sie, was das ist, Herr Michalsky?«, rief er in den fensterlosen Raum hinein.
    Sabrina rutschte zurück auf ihren alten Stuhl. Ihr Chef setzte sich jedoch nicht hin, sondern baute sich in voller Körpergröße vor seinem Widersacher auf.
    »Na, sieht fast aus wie eine Kassette, Herr Oberinspektor. Meine Musik hat Ihnen ja nicht gefallen. Muss ich mir jetzt etwa Ihre anhören?« Nach wie vor triefte seine Miene geradezu von Arroganz.
    Tannenberg schossen einige ziemlich derbe Schimpfwörter durch den Kopf, aber er behielt sie für sich. Er nahm die Kassette aus dem Recorder und legte die mitgebrachte ein. Die Playtaste drückte er allerdings noch nicht.
    »Als Künstler haben Sie doch sicherlich sehr viel Fantasie, nicht wahr?«, sagte der Kriminalbeamte mit ruhiger Stimme.
    Michalsky nickte und lehnte sich genüsslich in seinem Stuhl zurück. »Das kann man wohl sagen.« Mit einem lüsternen Seitenblick auf Sabrina ergänzte er: »Was glauben Sie denn, was ich mir eben so alles ausgemalt habe, mit dem Schätzchen da.« Er deutete einen Kuss an. Anschließend zog er an seiner Zigarette und blies den ausströmenden Qualm seinem Häscher direkt ins Gesicht.
    Tannenberg hielt den Atem an, während er einen Schritt zur Seite ging. »Aufgrund Ihrer ausgeprägten Fantasie haben Sie doch bestimmt eine Idee, was auf der Kassette drauf sein könnte. Was sag ich eine , Sie haben sicherlich viele Ideen.«
    Michalsky grinste, antwortete allerdings nicht.
    »Was, keine einzige Idee? Ein Mann mit Ihren Talenten? Jetzt enttäuschen Sie mich aber wirklich. Gut, dann hören wir uns doch einfach mal die Kassette an.«
    Bevor er die Starttaste betätigte, setzte er sich hin. Dabei nahm er den jungen Bildhauer scharf ins Visier. Der jedoch hielt seinem Blick stand. Obwohl Michalsky natürlich nicht wissen konnte, was ihn nun erwartete, schien er es doch irgendwie zu erahnen. Mertel hatte das am Hungerbrunnen aufgenommene Band genau zu der Stelle zurückgespult, an der man zum ersten Mal die Stimme des Mörders hörte.
    Tannenberg drückte auf ›Play‹.
    »Bleiben Sie sitzen!«, tönte es aus dem Minilautsprecher.
    Michalsky blieb äußerlich ruhig. Nur einen winzigen Moment lang hatten sich seine Augen geweitet, und das Weiße um die stahlblaue Pupille herum war aufgeblitzt. Das Band lief weiter.
    »Ist das’n Hörspiel, oder was?«, zeigte er sich unwissend.
    »Ja, wenn man pervers genug ist, kann man es sicherlich so nennen«, entgegnete der Leiter des K 1. Nur ein leichtes Beben in seiner Stimme verriet seine wahren Emotionen. »Aber wie Sie natürlich genauso gut wissen wie ich, ist es leider kein Spiel, sondern eine Reality-Crimeshow.«
    »Reality-Crimeshow? Wow! Glückwunsch, Herr Oberinspektor. Sie haben gerade eben eine neue Kunstform kreiert.«
    Tannenberg schmunzelte und strich sich betont gelassen über die Nase. Er fühlte sich wie in einer von den heimtückischen Attacken des Gegners geprägten, zermürbenden Schachpartie, die urplötzlich auf Messers Schneide stand. Obwohl er wusste, dass sein nächster Zug der alles entscheidende sein konnte, verbarg er seine extreme innere Anspannung. Er war glockenwach, hoch konzentriert.
    »Das ist zweifelsfrei Ihre Stimme, nicht wahr? Das hört man doch sofort. Dieses lupenreine Hochdeutsch.«
    »Auch in dieser abgefuckten Provinz wird es ja noch ein paar mehr Leute geben, die des Hochdeutschen akzentfrei mächtig sind«, retournierte Michalsky. Verächtlich stieß er
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