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Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall

Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall

Titel: Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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gerade auf Krummenacker. Der sagt etwas zu ihm, aber er kann es nicht verstehen. Dann wird aufgezoomt. Jetzt sieht er nur noch Krummenackers Kopf. Seine Lippen bewegen sich in Zeitlupe auf- und ab. Er versucht, dieses Wort von den Lippen abzulesen, aber es gelingt ihm nicht. Die Szene wiederholt sich. Nun sieht er Krummenackers Lippen in Großaufnahme. Sein eigener Mund bewegt sich synchron dazu. Noch einmal. Plötzlich hat er das Wort entschlüsselt, das sein Kollege andauernd wiederholt: Spa-zier-gän-ger.
    Eine Leuchtrakete zischte durch Tannenbergs Kopf: Spaziergänger – das ist es! Nun klingelte ihm auch der ganze Satz im Ohr, den Krummenacker zu ihm gesagt hatte: »Ein Spaziergänger hat ihn entdeckt. Er sitzt im Auto.«
    Ich hab diesen Mann zwar überhaupt nicht gesehen, aber vielleicht hat er ja etwas gesehen. Vielleicht hat er ja sogar alles gesehen! Könnte er ja – zumindest theoretisch.
    Nun tat er etwas, was er früher in seiner aktiven Handballerzeit vor jedem wichtigen Spiel getan hatte: Er klatschte sich seine Handflächen mehrmals fest auf die blassen Wangen. Seine Gesichtshaut reagierte sofort mit stechenden Schmerzen. Dieser Mechanismus funktionierte noch immer perfekt und erweckte ihn schlagartig wieder zum Leben. Im Spiegel errötete ein Männergesicht, so als habe eine Maskenbildnerin ihm zu viel Rouge aufgetragen.
    Das ist genau die richtige Farbe für diesen abgebrühten Sandstein-Klopfer!
     
    Wie ein buddhistischer Mönch, der durch ständige Wiederholung ein und desselben Mantras seine abschweifenden Gedanken zu disziplinieren versucht, trippelte er in der Toilette auf und ab.
    »Ruhig bleiben, ruhig bleiben, ruhig bleiben«, brabbelte er ohne Unterlass vor sich hin.
    Aber es nutzte nichts. Obwohl es hier unten im Keller empfindlich kalt war, schwitzte er am ganzen Körper. Sein Puls raste.
    Zur Sicherheit noch ein paar weitere Schläge auf die Wangen. Ein letzter Blick in den Spiegel.
    »Kriegsbemalung O.K. – auf in den Kampf!«, feuerte er sich selbst an.
    Er stürmte aus der Toilette, riss die Tür zum Verhörraum auf.
    »So, du meinst also, du bist ein Superschlauer, was?«, schrie er dem sichtlich verdutzten Künstler entgegen.
    Es dauerte nur einen kurzen Augenblick, bis Michalsky den Inhalt des Satzes verarbeitet hatte. Er lehnte sich zurück, zog die Augenbrauen empor. »Na ja, bei einem IQ von über 130 ist das schließlich auch kein Wunder, Herr Oberinspektor.« Er verschränkte die Arme vor seiner Brust, grinste breit. »Da wären Sie doch auch stolz drauf, oder etwa nicht? Übrigens sollten Sie mich bitte auch weiterhin siezen. So viel Höflichkeit muss sein, auch in Bullenkreisen.«
    Der sichtlich angespannte Ermittler ließ sich von diesem Einwurf jedoch weder provozieren, noch ging er auf Michalskys Kritik ein. »Du hast vorhin gesagt, dass du dir die 10 … Millionen … Euro-Show angeschaut hast. Also bist du offenbar ein richtiger Quizshowfan«, sagte er, während er sich gemächlich hinsetzte.
    Er wartete eine mögliche Reaktion seines jungen Kontrahenten ab. Als diese sich jedoch nicht einstellte, schob er nach: »Dann pass jetzt mal gut auf. Ich werde dir gleich eine sehr interessante Frage stellen, die du mir beantworten musst. Was dir ja bei deinem hohen Intelligenzquotienten sicherlich nicht sonderlich schwerfallen dürfte. Okay?«
    Der junge Künstler nickte mit geradezu gönnerhafter Miene. »Wenn ich Ihnen damit eine große Freude bereite.«
    »Gut. Und da ist sie auch schon, deine Masterfrage: Wieso sind wir dir eigentlich so schnell auf die Spur gekommen?«
    »Welche Spur …?«, parierte er umgehend.
    Tannenberg wollte ihm keine Zeit zum Nachdenken geben. Er setzte sofort nach: »Woher konnten wir wissen, dass ausgerechnet du der Dreifachmörder bist?«
    »Ja, woher soll ich denn wissen, was in euren verdammten Bullenköpfen vorgeht.«
    »Es gibt nur eine einzige logische Erklärung dafür«, behauptete der Leiter der Mordkommission. »Und die lautet?«
    Michalskys Gesicht hatte sich verändert. Die arroganten Züge hatten sich verflüchtigt, angespannte Nachdenklichkeit prägte nun sein Mienenspiel.
    »Na, was ist denn mit dir, mein junger Freund?«, erhöhte Tannenberg den Druck. »Wenn du so schlau wärst, wie du eben noch behauptet hast, hättest du schon längst die Antwort gefunden.«
    Er tippte mit seinem Finger in Richtung der sandverkrusteten Stirn des Bildhauers. »Wahrscheinlich ist ja da oben in deinem kranken Kopf die Lösung schon drin. Du
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