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Bodenrausch

Bodenrausch

Titel: Bodenrausch
Autoren: Wilfried Bommert
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auslaufenden Verfallsdaten, Verbraucherdünkel und Frischewahn.
    In den Entwicklungsländern sieht es trotz Hunger und Not nicht besser aus. Wegen maroder und korrupter Strukturen geht hier der größte Teil der Ernte zwischen Feld und Lager verloren. Auch hier gibt es Vorschläge, wie man dem Übel begegnen kann, doch auch hier scheitern sie an einer Mauer von Nichtwissen und Nichtwollen.
    Eine Entspannung des Bodenmarktes ist von dieser Seite also auch nicht in Sicht, stattdessen setzen die Bundesregierung wie auch die anderen Industriestaaten auf Symptombekämpfung und vertrauen auf Selbstverpflichtungen. Unter der Führung Japans schrieben sie einen Knigge in Sachen Benehmen auf dem Bodenmarkt. 10 Doch was nutzt ein freiwilliger Benimmkodex, wenn es für die einen um Milliardengewinne und für die anderen ums nackte Überleben geht?
    Spätestens nach den Brotaufständen 2011 sollte klar sein, dass die Bodenfrage auch eine Frage nach Krieg und Frieden ist. Kann es vor diesem Hintergrund überhaupt ein uneingeschränktes Recht auf privaten Boden geben? Und welchen Gewinn hat eine Gesellschaft, die den Boden als Allgemeingut ehrt? Könnte ihr Gewinn am Ende den der privaten Landbesitzer sogar übersteigen? Die US-amerikanische Umweltökonomin Elinor Ostrom stellt diese provokante Frage. Für ihr Werk erhielt Elinor Ostrom den Wirtschaftsnobelpreis 2009; sie legte den Grundstein für eine neue Diskussion über ein Bodenrecht, das dem »Run« auf die Äcker der Welt ein Ende bereiten könnte.
    Bisher steht das private Eigentum an Boden nicht in Zweifel, doch der Druck an den Nahrungsmittel- und Bodenmärkten wächst und mit ihm die politische Instabilität ganzer Erdteile. Einen Vorgeschmack haben wir am 9. Januar 2011 und danach bekommen: In Tunesien kam es zum Aufstand, auch aus Algerien wurden Unruhen gemeldet, gleiche Bilder kurz darauf vom Tahrir-Platz in Kairo. Der Zündfunke sprang über, von den explodierenden Preisen auf den Weltmärkten auf die explosiven sozialen Verhältnisse Nordafrikas, und der Brand droht sich von dort aus fortzusetzen, weit über den afrikanischen Kontinent hinaus.
    Alarm auch in Rom, im Zentrum für Welternährung. Der Preisindex der FAO für Lebensmittel stieg um den Jahreswechsel 2010/2011 binnen Wochen auf 221 Punkte und damit auf den Höchstwert der Krise 2008, als alles begann. Die FAO sprach von einer unkalkulierbaren Lage und vertröstete auf bessere Ernten im Jahr 2011. Doch die Hoffnung erfüllte sich nicht. Russland hatte sich von der Trockenheit 2010 noch nicht erholt, da kämpfte China mit einer katastrophalen Dürre; Australien stand noch unter dem Schock der Überschwemmungen, da versanken die Äcker Japans in den Schlammmassen eines Jahrhundert-Tsunamis und im radioaktiven Fallout nach dem Supergau von Fukushima. Der Weltmarkt für Weizen, Öl, Zucker und Mais gerät weiter unter Druck und die Preise bleiben in Bewegung. Die Gier wächst und damit die Begehrlichkeit auf die Äcker der Welt.
    Der Bodenrausch, der 2008 einsetzte, ist keine vorübergehende Episode der Weltgeschichte. In Wahrheit hat er gerade erst begonnen.

Bodenlos. Die Opfer der Jagd
    Olivier De Schutter, ein eher zierlicher Mann, wirkt nicht wie ein Frontkämpfer. Seine Waffen trägt er nicht offen, aber wer sich mit ihm anlegt, bekommt sie zu spüren. Als er im Dezember 2009 vor der UN-Generalversammlung in New York spricht, will er Betroffenheit erreichen, er hofft auf Einsicht und fordert eine Entscheidung. 1 Viel verlangt von einer Organisation wie den Vereinten Nationen, der Entscheidungsfreude nicht in die Wiege gelegt wurde.
    Der belgische Professor für Internationales Menschenrecht an der Universität Leuven richtet seinen Blick auf die Arena, in der jene sitzen, die wissen müssten, was auf dem Land südlich der Sahara, im Bergland von Kambodscha, in der Pampa Südamerikas, in den Tälern Südostasiens ebenso vor sich geht wie in den Weiten der Ukraine oder Kasachstans. Der weltumspannende Bodenrausch verteilt die Besitztümer auf dem Globus neu, konzentriert sie in den Händen weniger Besitzender und vergrößert das landlose Proletariat. »Der Run auf das Land, vor allem in den Entwicklungsländern, ist das Ergebnis unserer eigenen Fehler«, hält er der Weltorganisation und ihren mehr als 180 Mitgliedern vor. Sie haben den Weg in die Knappheit an Boden und in die Unsicherheit an den Märkten zu verantworten und an ihnen ist es, eine Kehrtwende einzuleiten, und zwar sofort.
    Aber da
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