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Bodenrausch

Bodenrausch

Titel: Bodenrausch
Autoren: Wilfried Bommert
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Äckern in anderen Ländern »offshore« zu ernten. Wo wird dieser fortschreitende Hunger auf Land gestillt werden, wo liegen die Zentren des Bodenrausches zu Beginn des 21. Jahrhunderts?
    Die Jagd auf die Äcker der Welt findet nicht ohne Strategie und Planung statt. Wie bei der Suche nach Gold und Öl bereiten Prospektoren den Weg. Sie durchforsten Kataster und Satellitenbilder, Wasser und fruchtbarer Boden sind ihre Zielgebiete. Juristen prüfen die Rechtslandschaften mit dem Fokus auf Staaten, die kein individuelles Recht auf Boden kennen oder aber mit korrupten Gerichten geschlagen sind, die verhindern, dass einheimische Bauern ihr Recht auf Land durchsetzen können. Oder aber sie werden von einer politischen Klasse regiert, die das Land ihres Volkes gekapert hat und darüber verfügt, ohne Achtung vor den Rechten der Menschen.
    Im Fadenkreuz dieser Landsucher stehen »failed states«, gescheiterte Staaten. Sie finden sich in Afrika, aber auch in Südamerika, Südostasien und auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion. Besonders gut läuft das Geschäft mit dem Boden dort, wo der Atem der alten Kolonien noch weht, wo das derzeitige Führungspersonal keine Skrupel kennt, wo Korruption und Raffgier regieren.
    Zu diesen Ländern gehören Uganda und Kenia, ebenso wie Tansania, Mosambik, Sambia, Nigeria, Liberia, ganz besonders aber der Kongo. In der Tradition ihrer Kolonialherren schneiden die herrschenden Cliquen immer neues Land aus dem Volksvermögen, auch wenn die eigene Bevölkerung hungert, wie in Äthiopien, im Sudan und in Kenia. Das Geld fließt auf Konten internationaler Steuerparadiese und nicht in die nationale Kasse, und wenn, dann ist es eher Kleingeld, weniger als 10 Dollar für die Fläche eines Fußballplatzes. In Europa liegt die Pacht für Vergleichbares bei 400 Euro und mehr.
    Die Flucht der Reichen in die landwirtschaftlichen »Offshore-Paradiese« wird der Welt als ein Ausweichen auf ungenutztes Land verkauft, doch das ist falsch. Genauso wie die Rechtfertigung, dass das Geld aus dem Ausland in vielen Ländern die einzige Chance sei, um die einheimische Landwirtschaft aus dem Steinzeitalter zu führen. Die Befreier kommen nicht ohne Eigennutz. Im Gegenteil, der eigentliche Motor für ihr Investment heißt Profit.
    Gefördert und gestützt werden die Bodengeschäfte nicht nur von geschäftstüchtigen Regimes, sondern auch von den internationalen Instituten. Allen voran geht die Weltbank.
    Im Herbst 2010 legte die Weltbank eine Karte der neu vermessenen Welt vor. Die Weltkarte der käuflichen Böden. Nach außen wird diese Vermessung der Welt als eine Aktion im Interesse der jeweiligen Länder und Regierungen deklariert. Tatsächlich ist es ein Wegweiser für alle, die auf der Suche nach profitablem »Neuland« sind.
    Gemeinsam mit ihren Töchtern International Finance Corporation (IFC) und Foreign Investment Advisory Service (FIAS) schnürt die Weltbank attraktive Rundum-sorglos-Pakete für finanzstarke Investoren, mit teilweise bizarren Folgen: In Pakistan beispielsweise sichert die Regierung den Saudis in einem Landpachtvertrag militärischen Beistand gegen die eigene Bevölkerung zu, für den Fall, dass es wegen der Getreidetransporte vorbei an den Hütten der Armen zu Ausschreitungen kommen sollte.
    Das weckt Erinnerungen: Das koloniale Erbe vergangener Jahrhunderte von Christoph Kolumbus bis zur United Fruit Company erlebt im Bodenrausch des 21. Jahrhunderts seine Wiedergeburt. Nur – heute geht es nicht mehr um Gold oder Luxusfrüchte. Es geht um die Basis der Welternährung und um Energie, um Felder also, auf denen es keinen Spielraum gibt. Auch ohne die neuen Spekulanten ist der Boden, die Grundlage unserer Ernährung, schon knapp und er wird laufend knapper. Das zeigt den Ernst der Lage, aber noch nicht ihre ganze Brisanz.
    Die wird erst deutlich, wenn wir den Gesundheitsstatus des Bodens und seine wachsende Belastung in den Blick nehmen, und darum geht es im zweiten Teil dieses Buches.
    Olivier De Schutter, der UN-Sonderbeauftragte für das Recht auf Nahrung, spricht am 28. Dezember 2009 vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York. Es geht um den weltweiten Bodenrausch. Die Delegierten verlangen Regeln, doch De Schutter versucht, sie auf die Ursachen des Problems zu stoßen. »Der Run auf das Land, vor allem in den Entwicklungsländern, ist das Ergebnis unserer eigenen Fehler. Wir haben in der Vergangenheit versäumt, in die Landwirtschaft zu investieren,
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