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Bodenrausch

Bodenrausch

Titel: Bodenrausch
Autoren: Wilfried Bommert
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insbesondere südlich der Sahara. Wir haben es versäumt, eine Landwirtschaft zu fördern, die den Boden nicht zerstört und die Wasservorräte nicht erschöpft.« 9 Was Olivier De Schutter der Versammlung zum Jahreswechsel 2009 ins Stammbuch schreibt, beklagen Bodenforscher und Gewässerkundler schon seit Langem. Die Fundamente der Welternährung bröckeln.
    Der Boden, den wir für eine solide und unzerstörbare Materie halten, ist in Wirklichkeit ein sensibler Organismus. Ein Organismus, dem offensichtlich die Methoden der modernen Landwirtschaft bisher nicht gut bekommen sind. Seine Kraft, die Bodenfruchtbarkeit, schwindet weltweit. Verantwortlich dafür ist ein Bündel von Ursachen. Aber die Schuld liegt nicht zuletzt im System der industriellen Landwirtschaft, ihrem gigantischen Maschinenpark, ihrem uferlosen Dünger- und Chemieeinsatz und ihren nimmersatten Viehherden. 50 Jahre moderne Landwirtschaft hinterlassen Millionen Hektar von entblößtem, ausgelaugtem und versalzenem Boden. Der Verlust beträgt mehr als ein Drittel des fruchtbaren Bodens der Welt.
    Die zweite Fehlentscheidung im System liegt in der künstlichen Bewässerung. Ihre Quellen versiegen. Besonders dort, wo das Grundwasser angezapft wird, geht es schneller zur Neige als bisher angenommen. Die Hochleistungslandwirtschaft pumpt in den regenarmen Gebieten der Welt einen Grundwasserhorizont nach dem anderen ab. Das Ringen um die wertvollen Tropfen vollzieht sich vor allem dort, wo die großen Städte wachsen. Die Ausweichstrategie der Wasserbauer heißt: tiefer bohren. Aber auch dies führt auf lange Sicht nur ins Trockene, wie in China oder Indien, wo die Pumpstationen um Neu-Delhi mittlerweile aus einer Tiefe von mehr als 200 Metern fördern – bis der Strom versiegt.
    Für 50 Prozent des globalen Wasserreservoirs meldet die Welternährungsorganisation »Wasserstress«, und das gilt auch für die großen Flüsse der Welt wie Ganges, Mekong, Euphrat, Tigris oder Nil. Durch chronischen Wassermangel drohen immer mehr ehemals grüne und fruchtbare Landstriche immer stärker zu verwüsten.
    Als weiterer Krisenfaktor auf dem Bodenmarkt kommen die Treibstoffe der modernen Landwirtschaft ins Spiel. Ohne sie könnten die Farmen, von Kanada bis Australien, von Südamerika bis Nordeuropa, ihre Rekordernten gar nicht einfahren. Es geht um Diesel und künstlichen Dünger. Ohne dessen Komponenten Stickstoff, Kalium und Phospat wäre die industrielle Landwirtschaft nie aufgeblüht und ohne Diesel hätten sich ihre Erzeugnisse nie in Bewegung setzen lassen. Und genau das ist auch die Achillesferse dieser Wirtschaftsform. Wenn die Nachrichten von den Rohstoffmärkten zutreffen, ist der Peak, also die größtmögliche Fördermenge, offenbar bei allem erreicht, vielleicht schon überschritten.
    Das sortiert die Kriterien und die Begehrlichkeiten auf dem Bodenmarkt neu. Zu den Filetstücken gehören in Zukunft Gebiete wie die Börde- und Schwarzerde-Landschaften der Welt.
    Verschärft wird die Lage durch den Klimawandel. Er wirkt als Brandbeschleuniger, denn er schränkt das Angebot an fruchtbarem Boden weiter ein. Was Dürre- und Hitzewellen anrichten, hat uns der Sommer 2010 gelehrt. In Russland verdorrten die Getreidefelder bei wochenlang herrschenden Temperaturen von über 40 Grad Celsius. Aus dem drittgrößten Getreideexporteur der Welt wurde über Nacht ein Land, das um die eigene Versorgung bangen musste. Aber das war nur eine Seite des Klimadramas im Sommer 2010, die andere zeigte sich in Pakistan. Fast zeitgleich verschluckte eine nie dagewesene Flutwelle die pakistanische Jahresernte. Damit nicht genug. Ende des Jahres 2010 versank der australische Staat Queensland in sintflutartigen Regenfällen.
    Drei Katastrophen in einem Jahr markieren die Richtung, die Klimaforscher seit 2007 vorhersagen und die weiteren fruchtbaren Böden der Welt ihre Ertragssicherheit nimmt.
    Auf der einen Seite schwinden Anbauflächen, erhöht sich der Wasserstress, gehen Dünger- und Ölreserven zu Ende, entzieht der Klimawandel ganzen Regionen ihre Erntesicherheit – auf der anderen Seite aber steigt die Nachfrage nach dem, was auf den Äckern der Welt wächst. Wenn es nach der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen FAO geht, dann müssten die Ernten weltweit in den nächsten 40 Jahren verdoppelt werden, um die wachsende Zahl der Weltbürger zu ernähren und ihre wachsende Lust auf Fleisch zu befriedigen. Doch dieser Zuwachs lässt sich kaum noch über
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