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Bodenrausch

Bodenrausch

Titel: Bodenrausch
Autoren: Wilfried Bommert
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rührt sich wenig, zu wenig, denn die Profiteure sitzen mitten unter ihnen. Vertreter korrupter Regimes, Geschäftemacher, Lobbyisten, die versuchen, ihre Interessen durchzusetzen. Der belgische Professor blickt in versteinerte Mienen, während er noch die Völkergemeinschaft zu Verantwortung und Moral bekehren will. Seine Rolle ist die des Rufers in der Wüste, aber er weiß, dass das nicht so bleiben wird.
    Es ist der Fukushima-Effekt, der die Weltpolitik von jetzt auf gleich verändern kann. Die ersten Vorboten, die Aufstände in Nordafrika, kündigen ein Beben an, das sich aus vielen kleinen Epizentren speist und einen gewaltigen Tsunami verursachen könnte, der die Kraftzentren des Südens außer Kraft setzt.
    Bis dahin allerdings geht es weiter, das Geschäft mit dem Boden der Welt. Man muss nicht bis nach Asien, Afrika oder Südamerika reisen, auch in deutsches Land wird kräftig investiert, allerdings kaum noch von Landwirten. Das gilt selbst im Bauernland Niedersachsen.
    EUROPAS LAND IN BONZENHAND
    Kurt Weserman 2 lebt von der Milch seiner Kühe, und die weiden auf gepachtetem Land. Milch war sein Zukunftsplan, aber da machen ihm jetzt die Pachtpreise einen Strich durch die Rechnung. Seit drei Jahren steigen sie und liegen mittlerweile auf einem Niveau, das der junge niedersächsische Bauer mit seinen Kühen nicht mehr verdienen kann. Das erzählt er vor einer Fernsehkamera der ARD, weil es andere nicht erzählen mögen. Von Bodenrausch im Biogasland spricht hier keiner gern. Wer sich verplappert, hat beim nächsten Pachttermin das Nachsehen. Dann geht sein Pachtland gleich an einen anderen, und das ist immer häufiger der neue Biogasinvestor in der Nachbarschaft.
    Diese Art der Nachbarschaft hat sich im Norden und im Osten Deutschlands zur Landplage entwickelt. Die Gasfabriken stehen verkehrsgünstig überall, wo Gas- und Stromleitungen verlaufen, sie speisen ihre Energie direkt ins Netz. Dafür gibt es eine Einspeisevergütung, und die bringt eine unglaubliche Rendite. Wie bei der KTG Agrar AG in Brandenburg, die mit ihrem Biogas bei »knapp über 20 Prozent« liegt. 3
    Immer mehr Investoren entdecken, dass man mit Biogas glänzende Gewinne machen kann. Der WWF Deutschland fürchtet um die Landschaft, die sich im Norden und Osten Deutschlands immer mehr in einen Maisdschungel verwandeln könnte. Die Kräfte, die da wirken, sind immens. Bis zu 3000 Euro Gewinn pro Hektar lassen sich mit dem Biogas erzielen, dank Subventionen und Einspeisevergütung, stellt der WWF in einer Studie fest. 4
    Das wirft jeden normalen Pächter wie den Milchbauern Kurt Weserman aus dem Markt, denn mit seiner Viehzucht kann er gerade mal 375 Euro Pacht für den Hektar zahlen, und Kurt Weserman ist nicht der einzige Bauer in Deutschland, dem die neuen Preise den Atem verschlagen.
    In Morbach im Hunsrück haben die Landfrauen zu ihrer Jahrestagung geladen. Eigentlich soll es um den Hunger in der Welt und die Ernährung zu Hause gehen. Aber es ist Mai draußen und für die Frauen gibt es nur zwei Themen, die Trockenheit und die Biogasanlagen, die sich auch im Hunsrück in die Gemeinden hineinfressen. Der Vorsitzende des Bauernverbandes sagt hinter vorgehaltener Hand, da sei er machtlos, schließlich seien die Biogasbarone ebenfalls Mitglieder in seinem Verband. Da gehe es auch um Verbandsdisziplin. Schließlich habe der Bauernverband dem Weg ins Biogaszeitalter unterstützt, als Einkommensalternative für seine Bauern.
    Bei Kaffee und Kuchen erfährt man mehr über die bäuerlichen Investoren. Die seien ja gar keine Bauern, sondern Bauunternehmer, Banker, die ihr Geld auf sicheren Boden bringen wollen. Den Mais für ihre Anlagen ließen sie von Lohnunternehmern säen und ernten. Und für die Gasanlage gebe es einen Aufpasser, aber Bauern seien die alle nicht.
    Morbach liegt in einem sanften Tal. Die Weiden an den Hängen sind bis auf kleine Parzellen alle umgepflügt worden. Maisland, so weit das Auge reicht, auch im Hunsrück. Mit landschaftlicher Schönheit hat das nichts mehr zu tun. Die Energiewirtschaft ist eingebrochen in den Tälern, auf den Höhen und darüber hinaus, am Horizont drehen sich die Rotoren eines Windparks.
    Legden liegt tief im Münsterland. Wälder, Wiesen, Felder, westfälische Bauernhöfe ducken sich unter Eichenkronen. Pferde weiden auf den Hofkoppeln, das Korn steht gut, nur der Mais kümmert, das Frühjahr war zu trocken. Draußen ist der Abend lau, Frühsommer.
    Drinnen im Landgasthof Hermannshöhe ist
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