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Blutlust

Blutlust

Titel: Blutlust
Autoren: Riccarda Blake
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ich mich über die Freaks so aufgeregt hatte, oder lag das an dem eindringlichen Blick der wundervollen Augen meines Gegenübers?
    »Nichts zu danken«, lächelte er. »Diese Verrückten suchen sich immer die Anfänger aus, um Mitglieder zu werben für ihren seltsamen Verschwörungsverein.«
    »Woher weißt du, dass ich Anfängerin bin?«, fragte ich.
    »Ich studiere hier bereits ein paar Trimester Medizin«, sagte er. »Wenn du schon länger hier wärst, wärst du mir ganz bestimmt aufgefallen.« Sein Lächeln wurde noch eine Spur eindringlicher.
    Das Kompliment ging runter wie Öl.
    »Oh, wie unhöflich von mir«, sagte er dann. »Mein Name ist Max.«
    »Ich bin Sinna«, sagte ich. »Schön, dich kennenzulernen, Max.«
    »Ganz meinerseits«, sagte er.
    Ich spürte, wie ich ein klitzekleines bisschen rot wurde.
    »Ich hab hier was für dich«, sagte er und hielt mir einen der Flyer hin. »Unsere Fakultätsparty heute Abend zur Begrüßung der Neuen.«
    »Danke«, sagte ich, nahm den Flyer und warf einen Blick darauf.
    »›Die Nacht der Vampire‹ im ›KITTY‹«, las ich die Überschrift laut vor. »Huuuuh. Gruselig.«
    Er grinste. »Hoffentlich! Ort und Uhrzeit stehen drauf. Es würde mich sehr freuen, dich dort zu sehen.«
    »Okay«, sagte ich.
    Für einen kurzen Moment fühlte es sich so an, als könnten wir ewig so stehen bleiben und uns in die Augen schauen. Dann räusperte er sich plötzlich, so, als müsse er sich selbst daran erinnern, dass er noch andere Dinge zu erledigen hatte.
    »Ich muss los«, sagte er, die Flyer hochhaltend. »Noch ein paar Einladungen verteilen.«
    »Ja«, sagte ich. »Ich muss auch los. Sekretariat. Anmelden, Studienplan erstellen und so.«
    »Autsch«, machte er und verzog das Gesicht zu einer schmerzerfüllten Miene. »Herzliches Beileid.«
    Ich lachte. Ich bin immer froh, wenn ich jemanden treffe, der bürokratischen Kram genau so hasst wie ich. »Dann sehen wir uns heute Abend.«
    Er nickte. »Bis heute Abend.«
    Er ging, drehte sich dann aber noch einmal herum, um mir zuzulächeln. Ich lächelte zurück. Dann tauchte er in der Menge unter.
    Der Schüler hatte dem Meister ein Geschenk mitgebracht. Jungfrauen waren schwer zu finden in diesen Breitengraden und Zeiten. Deshalb hatte er sie, nicht ohne einen gewissen Aufwand und nach gründlicher ärztlicher Untersuchung, über eine Au-pair-Agentur aus Ungarn besorgt. Eine kleine Reminiszenz an ihre gemeinsame Vergangenheit dort. Für seinen Meister und dessen Aufmerksamkeit war ihm nichts zu teuer.
    Die Wachen in der Lobby des Waldorf-Astoria begrüßten den Schüler mit einem freundlichen Nicken, und zwei von ihnen geleiteten ihn und sein mit demütig gebeugtem Haupt und kleinen Schritten neben ihm gehendes Präsent zu dem privaten Aufzug.
    Das Mädchen wusste, was sie erwartete – und wie es sich für eine Tochter ihres Landes gehörte, fügte sie sich in ihr Schicksal. Ihr Name war Agnièska. Sie war neunzehn und stammte aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Szeged, an der Grenze zu Rumänien und Serbien. Einsfünfundsiebzig groß, hüftlanges kastanienbraunes Haar, dunkler Teint und smaragdgrüne Augen. Schlank und wohlgeformt. Der Meister gab sich mit nicht weniger zufrieden als mit absoluter Perfektion.
    Der Aufzug legte die einhundertneunzig Meter in den siebenundvierzigsten Stock des traditionsreichen Hotels gespenstisch leise zurück.
    »Du weißt, was du zu tun hast?«, fragte der Schüler das Mädchen sicherheitshalber noch einmal.
    »Alles, was man mir sagt.«
    Er nickte. »Wenn dir das gelingt, wird es deiner Familie in der Heimat wohl ergehen.«
    Er erinnerte sich an den Schock in ihrem Gesicht, als er sie vom Flughafen abgeholt hatte. Da war sie Tausende von Meilen geflogen, um dem uralten Fluch ihres Landes zu entkommen, nur um ihm hier in der neuen Welt genau in die Arme zu laufen.
    »Man kann seinem Schicksal nicht entkommen«, sagte sie leise.
    »Du hast es in der Hand, daraus ein noch größeres zu schmieden«, entgegnete er. »Der Meister ist großzügig zu denen, die ihm willig dienen.«
    »Ich werde mein Bestes geben.«
    »Dessen bin ich mir sicher.«
    Der Aufzug hielt, und die Schiebetüren öffneten sich. Sie führten direkt in den Eingangsbereich des Penthouses. Hier standen zwei weitere Wachen an den Seiten eines schweren eisernen Portals.
    »Der Herr erwartet Euch bereits«, sagte einer von ihnen mit einer tiefen Verbeugung. Der Schüler ließ zu, dass er ihn ohne eine weitere Aufforderung nach
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