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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02
Autoren: Karl Bleibtreu
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In der deutschen Werkstatt
    So verlief die Neuenburger Sache unrühmlich im Sande, ohne ein anderes Ergebnis als neue pathologische Belastung des Königs. Er, der sich in großen Angelegenheiten so wunschlos begnügte und jede Ungebühr einsteckte, empfand es als Nagel zu seinem Sarge, daß man ihm sein Neuchâteler Spielzeug nahm. »Der Triumph der Revolution!« Auf dieser Saite harfte auch der alte Gerlach unablässig herum und haranguierte Otto mit einer Flut brieflicher Dissertationen, reich gespickt mit historischen Kommentarien, deren Entgegennahme eine Lammsgeduld erforderte. Zunächst nannte er seinen langjährigen Genossen einen Bonapartisten, d. h. einen Anhänger der Revolution. Sodann verglich er ihn mit Haugwitz unseligen Angedenkens, der sich vom Korsen umgarnen ließ, Österreichs Niederlage zuzuschauen und so die eigene Niederlage anzubahnen. Der würdige Veteran maßte sich schulmeisterlich belehrende Abkanzelung an. Was Otto die Zornröte ins Gesicht trieb, der Vergleich mit Haugwitz, war besonders sinnig.
    Es gehörte außer eiserner Geduld eine treue Gutmütigkeit und Pietät für alte Freundschaft dazu, eine Korrespondenz fortzusetzen, in der sogar vom bourbonischen Thronprätendenten Henri V. (Comte de Chambord) gefaselt wurde. Ein wenig trug auch die Nützlichkeitsrechnung dazu bei, sich dem einflußreichen Beirat des Königs nicht entfremden zu dürfen. Doch daß dieser Grund nicht in erster Linie stand, zeigte das Abbrechen der »Repliken« durch Otto, als er den Blödsinn endlich dick hatte. In einem Briefe Ottos fiel das allerbezeichnendste Wort, daß man »die Realität ignoriere«. (Er hätte zwar schöner schreiben können »die Wirklichkeit nicht wissen wolle«, aber man muß zugeben, daß die Ausmerzung von Fremdwörtern oft nur äußerlich die Schreibart reinigt, dafür aber die Genauigkeit des Ausdrucks schwächt.)
    »Was soll dies Festlegen auf Begriffe!« äußerte er sich im gelben Kabinett bei Pfeife und Zigarre vor seinem jungen Kavallerie-Attaché. »War der legitime Louis Quatorze etwa minder feindselig als der illegitime Korse? Ich halte mich an das vorhandene Frankreich, immer das gleiche, und es von meinen Kombinationen ausschließen wäre so, als ob ein Schachspieler erklären wollte, ein im Brett befindlicher Turm sei für ihn Luft. Daß ein Preuße stets ein Franzosenfresser sein müsse, ist auch nur so eine faule Gefühlspolitik, eine echtdeutsche Spezialität. Die andern drapieren sich natürlich auch mit Gemütsschwindel für ihre Selbstsucht, doch nur wir nehmen solche Düpierung ernst. Ich werde Ihnen mal ein paar Sätze aus meiner Korrespondenz mit dem alten Narren Gerlach vorlesen, ich habe die Konzepte hier. Gott verzeihe mir, daß ich so von einem braven, begabten Greis und einem alten Freunde rede! Aber diese Menschen könnten einen Esel zum Ausschlagen bringen.« Er kramte in Papieren und las: »Halten Sie den Kaiser Franz Josef überhaupt für eine aufopfernde, hingebende Natur, und insbesondere für außerösterreichische Interessen? Finden Sie zwischen seiner und der napoleonischen Regierungsweise vom Standpunkte des ›Prinzips‹ einen Unterschied? Und hier, das ist zu unterstreichen: Bündnisse sind der Ausdruck gemeinsamer Interessen und Absichten. Ob wir Absichten überhaupt haben, weiß ich nicht, aber daß wir Interessen haben, daran werden uns andere schon erinnern.‹ Auch die Kleinstaaten, die sich mit v. d. Heydt im Zollverein ab und zu überwerfen, um ihre Wichtigkeit fühlen zu machen. Fühlen die etwa den Beruf, etwas für Preußen zu tun? Übrigens für Österreich auch nicht, wenn sie es nicht gegen Frankreich für den Stärkeren halten. König Max von Bayern ist jetzt in Fontainebleau auf der Hirschjagd, da wird er sicher nicht den Bock schießen, vor Napoleon den Leonidas herauszukehren, über dessen Leiche erst Frankreich in Deutschland einbrechen könne.« Er streckte die Beine lang und durchmusterte die Konzepte. »O diese Berliner! So unverschämt im Laxieren ist doch nur Österreich. Das will uns noch gar in der faulen Neuenburger Sache beigestanden haben! Aber freilich, wer hatte denn von uns zu fürchten und zu hoffen? Hehe, da ist wieder ein hübscher Satz. ›Daß man aus Gefälligkeit oder Rechtsgefühl handelt, das dürfen andere von uns , wir aber nicht von ihnen erwarten!‹ Also ich will mit Frankreich gegen Deutschland konspirieren? Aber die anderen dürfen sich gegen uns verbrüdern mit wem sie wollen, man darf Riemen aus
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