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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling
Autoren: Barbara von Bellingen
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weitergehen. Doch er beugte sich vom Pferd herab und streckte energisch die Hand aus. »Jetzt seid klug und gebt mir wenigstens Eure Last«, forderte er.
    Mit leisem Widerstreben ließ sie es zu, dass er den Korb zu sich heraufhob und ihn vor sich auf den Sattel setzte – einen alten, abgewetzten Sattel, der früher sicherlich einmal recht teuer gewesen war, genau wie das Riemenwerk des Geschirrs, mit dem das Pferd aufgezäumt war. Langsam setzte sich der große Falbe wieder in Bewegung. Sein Reiter achtete sorgfältig darauf, den Wasserlachen der Fahrgeleise auszuweichen, und hielt den Korb ordentlich in der Waage. Sie schwiegen beide. Erst nachdem eine letzte Wegbiegung umrundet war, sagte die junge Frau: »Da sind wir. Das Haus am Weiher, das gehört meinem Vater.«
    Der westliche Himmel hatte sich mit glühendem Rot überzogen, in dem fliederfarbene, goldgesäumte Wölkchen schwammen. Das Dorf, eine kleine Ansammlung bescheidener, mit Schindeln gedeckter Gehöfte, die von Flechtwerkzäunen umgeben waren, lag in rosiges Licht getaucht. Der Weiher, eigentlich ein Mühlenteich, strahlte das überwältigende Farbenspiel aus dunstigem Violett, Schwefelgelb und Feuersglut wider, in dem heute die Sonne versank; auf seiner stillen, fast unbewegten Mitte aber spiegelte sich als hell blinkender, leuchtender Punkt der Abendstern.
    Der Reiter brachte sein Pferd zum Stehen und verhielt einen Augenblick, ganz verzaubert von dem Bild, das sich ihm bot. Doch die junge Frau strebte weiter. »Kommt«, drängte sie, »ich bin schon viel zu spät dran. Der Vater wird schelten, weil ich mich so lange habe aufhalten lassen!« Sie marschierte weiter, bog auf den Pfad ein, der um den Teich herumführte und bei dem Anwesen gleich neben der Mühle endete. Der Reiter ließ sein Tier in langsamem Schritt gehen und folgte ihr, den Blick fest auf ihre schmale Gestalt geheftet.
    In dem Haus hart am Rand des Weihers brannte Licht; es schimmerte durch die bleigefassten Butzenscheiben zweier winziger Fenster auf den Weg. Drinnen schienen sich mehrere Leuteaufzuhalten. Durch die spaltbreit offen stehende Bohlentür drangen Gelächter und Unterhaltungsfetzen.
    »Himmel«, sagte die junge Frau, »es sind sogar Nachbarn da! Das wird was geben ...« Sie streckte dem Reiter beide Hände entgegen. »Reicht mir den Korb und sitzt ab – ich führe Euch hinein. Hurtig!«
    Der Reiter kam ihrer Bitte schleunigst nach. Er zeigte ein schiefes Lächeln, als er sich aus dem Sattel gleiten ließ. »Ihr habt wohl viel Respekt vor Eurem Vater?«, bemerkte er mit leisem Spott.
    »Ihr nicht?«, fragte sie und trat an die Tür.
    Im gleichen Moment wurde sie von innen aufgestoßen. Ein grauhaariger Mann, faltig und beinahe greisenhaft, steckte den Kopf heraus. »Annelies«, polterte eine brüchige Stimme, »ich hatte schon gedacht, ich müsst dich suchen lassen ...«
    »Aber Väterchen!« Sie machte dem Reiter ungeduldig ein Zeichen, näher zu treten. »Ich hab viel gefunden – und außerdem noch einen Gast mitgebracht. Da ist es ein bisschen später geworden ...«
    »Dass dich ... !« Der Alte tat wütender als er war. »Jetzt aber an die Arbeit. Frisch Bier geholt – und die Supp ans Feuer!« Einen Augenblick ruhte sein Blick wohlgefällig auf seiner Tochter, dann hob er die Hand und tat, als wolle er sie schlagen. »Willst du wohl ...?«
    Anna Elisabeth duckte sich ebenso halbherzig, deutete auf den Reiter, der hinter ihr an der Tür stand, und huschte mit dem Korb ins Haus. Drinnen, bei dem aus Feldsteinen gemauerten Herd, auf dem bereits ein Feuer loderte, stellte sie ihre Last ab.
    Der Alte unterzog indessen den Mann, den seine Tochter ihm da ins Haus geführt hatte, einer gestrengen Prüfung. Der Reiter wurde vom unordentlich zerzausten Haupthaar bis zu den schadhaften Stiefeln gemustert und dabei ausgefragt: »Woher und wohin?«
    »Ich komme von Wittenberg«, antwortete der Reiter, »und ich bin auf dem Weg nach Hause – nach ... Schwarzental.«
    »Soso.« Der Alte legte den Kopf schief, wie Schwerhörige das oftmals zu tun pflegen. »Was habt Ihr getrieben in Wittenberg?«
    »Ich ...«, der Reiter verzog den Mund zu einem schmallippigen Lächeln, »ich habe ... Studien betrieben. Und nun will ich zurück zu den Meinen.«
    »Ihr seid ein Scholar?« Dieser Gedanke schien dem Alten zu
    gefallen. »Oder habt Ihr am Ende gar schon ausgelernt?«
    »So könnte man sagen«, wich der Reiter aus. »Gebt Ihr mir
    ein Nachtlager, Speisung und einen Unterstand für
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