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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling
Autoren: Barbara von Bellingen
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mein Ross?« »Könnt Ihr zahlen?«
    Diese Frage war schon einmal gefallen. Der Reiter beantwortete sie mit den gleichen Worten, die er bereits der Tochter dieses Mannes geboten hatte. »Wenn es nicht zu teuer ist ...«
    Das Lachen des Alten mündete in einem trockenen Husten. »Hm, hm! Wir werden uns schon einig«, erwiderte er in weitaus freundlicherem Ton als zu Beginn der Unterredung, »wenn Ihr uns neue Zeitung aus der Welt bringt.« Er sah den Reiter gespannt an. »Ihr werdet doch viel erlebt haben in der Fremde. Oder nicht?«
    »O ja«, murmelte der Reiter.
    »Wie nennt Ihr Euch?«
    Auch das war der Reiter bereits gefragt worden. Er räusperte sich. »Albrecht... Hund. Aus Schwarzental«, wiederholte er milde.
    Der Alte streckte noch einmal den Kopf aus der Tür. »Michel«, rief er laut in die sinkende Dunkelheit hinaus, »herbei, Taugenichts ... !«
    Es raschelte. Wie aus dem Nichts tauchte eine schmächtige Gestalt an der Tür auf – ein barfüßiger Junge, dem der grobe graue Kittel um die knochige Figur schlotterte. »Ja, Ohm...«,
    sagte er und duckte sich vorsorglich vor dem Faustschlag, den der Alte in seine Richtung gezielt hatte und der ebenso wie bei seiner Tochter nicht wirklich ernst gemeint war.
    »Versorg das Tier«, befahl der Alte mit knarrender Stimme. »Reib es ab, gib ihm Heu und einen Eimer Wasser zum Saufen. Erst, wenn du es gut gemacht hast, kriegst du selber was – verstanden?«
    »Ja, Ohm.« Der Junge zögerte. »Aber die Packrolle ...« Er deutete auf den Mantelsack hinter dem Sattel des Pferdes.
    »Die holst du erst herunter, Tunichtgut!«, donnerte der Alte. »Tummel dich!«
    Er holte noch einmal aus, um dem Jungen eine Kopfnuss zu verpassen. Michel wich mit einem kleinen Satz zur Seite aus. »Sofort, Ohm ...«, murmelte er dienstbeflissen.
    Der Reiter mischte sich ein. »Lass nur – ich schnalle den Mantelsack schon selber ab«, sagte er. »Kannst dann den Rest besorgen.«
    Michel nickte so heftig, dass es seine ganze schmächtige Gestalt zu schütteln schien, und drückte sich an die Hauswand. Als die Packrolle vom Pferd heruntergehoben war, nahm er mit einem tiefen Bückling die Zügel entgegen und führte den Falben um die Hausecke.
    »Tretet ein unter mein bescheidenes Dach«, sagte der Alte zu seinem neuen Gast und deutete ebenfalls eine Verbeugung an.
    Die Mundwinkel des Reiters zuckten. »Der Knirps scheint mir nicht sonderlich gewitzt zu sein«, meinte er. »Wird er es auch richtig machen? Wenn nicht, dann kümmere ich mich lieber selbst darum. Bevor ich eine Mahlzeit zu mir nehme, muss erst mein Ross sein Futter haben.«
    »Recht gesprochen«, bemerkte der Alte mit Wohlgefallen, »so soll es sein. Aber sorgt Euch nicht, der Michel ist schlauer, als er aussieht. Der tut schon seine Arbeit – und besser als so mancher Knecht.«
    »Wenn das so ist«, sagte der Reiter zweifelnd. Er hob den Mantelsack auf die Schulter, trat hinter dem Alten in die Stube ein und sah sich um. Unter einer Decke aus schweren, lastenden Eichenbalken bot sich ihm der Anblick eines großen Raumes mit weiß gekalkten Wänden, dessen spärliche Einrichtung – ein dunkles Tellerbord und ein breiter Brotschrank mit durchbrochenen Türen – offensichtlich schon seit Generationen hier im Gebrauch war, denn ihr Eichenholz war wie das der Deckenbalken beinahe schwarz vom Alter.
    Auf der Bank an der Stirnwand, wo in eisernen Halteringen zwei Kienspäne flackerndes Licht verbreiteten, saßen an einem langen Tisch mehrere Männer – wohl Bauern aus dem Dorf, die sich hier zum Abendtrunk eingefunden hatten. Zwei von ihnen, grauhaarig und mit zerknitterten, wettergegerbten Gesichtern, hatten wie der Wirt sicherlich die fünfzig schon überschritten. Die anderen vier, junge Kerle mit schwieligen Fäusten und schmutzigen Fingernägeln, hätten ihre Söhne sein können. Alle trugen die gleichen grauwollenen Kittel und klobigen Holzpantinen, nickten dem Reiter wortlos zu und blickten ihm aufmerksam entgegen.
    »Zieht Euch einen Stuhl an den Tisch und setzt Euch dazu«, forderte der Wirt den Reiter auf. Der ließ seinen Packen gleich neben der Tür auf die Steinplatten des Fußbodens fallen und schob ihn mit der Stiefelspitze dicht an die Wand. Die Tochter des Wirtes hatte das Umschlagtuch abgelegt und an einen Wandhaken gehängt. Sie kauerte an der Längsseite des Raumes neben dem Herd und war mit dem Putzen und Schneiden der Pilze schon beinahe fertig. »Nur ein Augenblickchen Geduld«, rief sie zu den Gästen
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