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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling
Autoren: Barbara von Bellingen
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dem rotem Schnauzbart. »Es sei denn, Ihr habt ein sehr gutes Ross.«
    »Es ist kräftig, wenn Ihr das meint.« Der Reiter nickte wie zu sich selbst und dehnte sich in der Wärme, die ihm vom Herd entgegenstrahlte. »Hat mich bis heut noch nie im Stich gelassen.«
    »Euer Eigen?«, wollte der Alte wissen.
    »So sagte er mir«, mischte sich die Wirtstochter ein, die mit dem gefüllten Krug wieder aus dem Keller aufgetaucht war. »Er will es selbst aufgezogen haben.«
    Der Reiter drehte sich zu ihr um und sah sie an. Dann schaute er in die Schüssel mit den Pilzen, die auf dem Herdrand stand. »Solche habe ich schon gesehen«, sagte er langsam und maß das Mädchen mit einem bedeutsamen Blick. »Sind das nicht Herrenpilze?«
    Plötzlich war nur noch das Krachen und Knistern des Feuers zu hören. Die Männer am Tisch sahen sich betreten an. »Ich dachte, Ihr könnt die Arten nicht auseinander halten«, sagte das Mädchen in die Stille hinein. »Wie wollt Ihr wissen ...«
    »Diese sind mir durchaus bekannt«, erwiderte der Reiter. Er vertiefte den Blick auf ihr Gesicht. »Und sehr schöne habt Ihr gefunden, Jungfer Anna – dunkelbrauner Samt ... ganz wie Eure Augen...«
    Sie musste schlucken. Doch sie fing sich gleich wieder. »Lasst solche Scherze«, widersprach sie störrisch, »es sind ja bloß Schusterpilze.«
    Der Wirt hatte ihr mittlerweile den Krug abgenommen. Nun warf auch er einen Blick in die Schüssel. »Was redest du denn da, Tochter«, fuhr er das Mädchen an. »Unser Gast hat Recht. Die Herrenpilze kommen wieder in den Korb. Die stehen dem Kloster zu.«
    »Stehen dem Kloster zu«, bestätigte einer der älteren Männer gottergeben, während die anderen missmutig zustimmten. »Als ob die fetten Pfaffen es nötig hätten«, knurrte der mit dem fuchsfarbenen Schnurrbart zornig, »die kriegen doch alle Tage volle Schüsseln – sogar in der Fastenzeit!«
    Der Reiter räusperte sich. »Gibt es hier einen, der den Mönchen stecken könnte, dass heute in eurer Pfanne Herrenpilze schmoren?«, fragte er in den Raum hinein. »Wisst – ich wäre der Letzte, der es tun würde. Ich esse sie nämlich auch für mein Leben gern.«
    Schlagartig hellten sich die Mienen der Männer wieder auf. »Ihr habt schon ...?«, fragte der Wirt in unwillkürlichem Flüsterton.
    »Aber sicher.« Der Reiter grinste und hob verschwörerisch eine Augenbraue. »Ich muss sogar zugeben, dass ich mir aus den anderen Arten nicht so viel mache.« Dabei schnippte er spielerisch mit den Fingern.
    »Ihr seid ein rechter Kerl!« Der Flachsblonde schlug mit der Faust auf den Tisch. »Es wird sowieso höchste Zeit, dass sich der Bauer widersetzt ... viel zu lange hat er demütig zu allem Ja und Amen gesagt!«
    »Johannes!« Einer der beiden alten Männer am Tisch machte ängstliche Augen und legte den Finger an die Lippen. »So sollst du nicht sprechen. Das ist nicht nach Gottes Willen!«
    »Und ich dulde solche Reden nicht in meinem Haus«, stimmte der Wirt zu. Doch seinen Worten war die Halbherzigkeit anzumerken.
    Der mit dem roten Schnauzbart hob den Kopf. »Aber er hatja Recht, der Hannes«, brummte er gereizt. »Es stinkt zum Himmel, wie mit uns Bauern umgesprungen wird!« Er ballte die verarbeitete Faust. »Habt ihr schon vergessen? Mitten in der Heuernte haben uns die Pfaffen ihre Gärten jäten lassen – die faulen Fresser! Derweil ist uns das Heu auf den Wiesen verfault...«
    Die beiden anderen jungen Männer, die bis jetzt noch keinen Ton gesagt hatten, hoben die Köpfe. »Als unser Vater damals vom Baum erschlagen wurde«, sagte der eine von ihnen, »da hat unsere Mutter alle Hab abgeben müssen. Unser gnädiger Herr Abt«, er spuckte das Wort förmlich aus, »hat ihr den Todfall nicht erlassen.«
    »Obwohl er wusste, dass er uns damit ins Elend stößt«, fügte der andere hinzu. »Unsere Mutter hat’s nicht überlebt – das wisst ihr alle.«
    »Und wenn uns der Hannes nicht aufgenommen hätt ...«
    »Versteht sich von selbst.« Der Flachshaarige ließ seine Faust noch einmal auf die eichene Tischplatte knallen. »Es geht doch nicht darum, Gottes Ordnung umzustoßen. Gerechtigkeit – das ist es, was wir wollen. Nichts mehr als nur Gerechtigkeit!«
    Der Reiter nickte. »Mit der Gerechtigkeit ist es wie mit der Liebe«, sagte er ernsthaft, »beide braucht man zum Leben. So lehrt es der Doktor Luther in Wittenberg.«
    Er warf der Wirtstochter, die unbeweglich beim Herd stand, einen funkelnden Blick zu. Hannes Rebmann riss den Mund auf.
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