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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling
Autoren: Barbara von Bellingen
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hat mich verlassen«, sagte er mit blassen Lippen, »schon heute früh ...«
    »Was soll das heißen?« Anna Elisabeth machte sich unwillig von ihm los. »Das glaubst du doch selber nicht. Nie würde die Barbara –«
    »Sie hat’s nicht überlebt«, flüsterte er, während seine Augen sich in nachträglichem Entsetzen noch weiter öffneten. »Sie ist gestorben – einfach so, mitsamt dem neuen Kind. Die alte Margrethehat ihr beigestanden, aber helfen hat sie ihr auch nicht können. Und als die Klosterknechte meine Barbara auf der Bahre sahen, haben sie gleich den Todfall eingefordert.« Die Worte sprudelten jetzt aus ihm heraus, er hob die Stimme. Sie klang schrill und wuterfüllt. »Für die Barbara forderten sie die Kuh. Und das Schwein haben sie für das Kleine aus dem Koben geholt. Aber mein Matthias, mein lieber Junge –«, er reckte sich und hob die geballte Faust, »der wollt’s ihnen verwehren. Ist’s nicht genug damit, dass meine Mutter tot ist, hat er geschrien und die Knechte mit der Forke angegriffen ...«
    Seine Stimme brach. Er sackte von neuem auf den Steinplatten des Bodens zusammen. Es war totenstill geworden im Raum.
    Der Hausvater war der Erste, der sich fasste. Er beugte sich zu seinem Nachbarn nieder und streichelte ihm mit rauer Zärtlichkeit über das wirre Haar. Dann ergriff er Matthias’ Hände. »Komm, steh auf«, sagte er sanft, »der Michel soll deine Kinder suchen, und du bleibst hier bei uns. Das Essen reicht für alle. Und es hat keinen Sinn, dass du weiter durch die Nacht irrst. Später, wenn du dich satt gegessen und aufgewärmt hast, gehen ein paar von uns mit dir hinüber zur Barbara und deinen toten Kindern. Die Totenwache sollst du nicht allein halten – hörst du?«
    Matthias erschauerte. Dann, wie ein Schlafwandler, ließ er sich aufhelfen und an den Tisch führen.
    Der Hausvater drückte ihn auf die Bank nieder. Anna Elisabeth stand noch in ihrem Umschlagtuch. Sie hatte augenscheinlich Mühe zu begreifen, was geschehen war, und kam erst ganz allmählich wieder zur Besinnung. Dann endlich nahm sie mit müden Bewegungen das Tuch von den Schultern, hängte es auf und machte sich mechanisch daran, das Pilzgericht fertig zu kochen, während ihr Träne für Träne über die Wangen rollte.
    Der Reiter hatte wie die Männer am Tisch stumm beobachtet.Nun sprach er die Tochter des Hauses an. »Die junge Frau war wohl Eure Freundin?«, fragte er teilnahmsvoll.
    Anna Elisabeth streifte ihn flüchtig mit einem Seitenblick aus tränennassen Augen. »Ich kenne niemanden, dem sie nicht Freundin war«, erwiderte sie tonlos. »Wollt Ihr Euch nicht endlich zu Tisch setzen und mich in Ruhe lassen?«
    Der Reiter schluckte schwer an dieser unmissverständlichen Abfuhr. Verlegen nestelte er am Koller seiner Gugel herum, zog sich schließlich das Kleidungsstück über den Kopf und streifte es ab. Erst dann fand er Worte. »Sagt, Jungfer Anna – was missfällt Euch so sehr an mir?«
    Ihre Antwort kam schnell. »Ihr könnt nicht schweigen«, sagte sie, »nicht einmal in einem solchen Augenblick. Und was Ihr sagt, das hat einen geckenhaften Klang – als wolltet Ihr Euch nicht nur über mich, sondern auch über alle Welt lustig machen.«
    Sie hatte ihn voll angesehen, und er begegnete dem Blick ihrer dunklen Augen mit großer Verwirrung. »Aber um Gottes willen«, begann er zögernd, »Jungfer ... ich ...«
    »Lasst Gott besser aus dem Spiel«, fuhr sie ihm in die Rede, »der steht über uns allen. Selbst über einem, der in einem wohlhabenden Bürgerhaus geboren ist.«
    »Ihr meint ... einem wie mich?« Tief in seinen Augen irrlichterte es, auch wenn seine Miene Anspannung verriet.
    »Ganz recht.«
    »Und woraus schließt Ihr, dass das Haus, dem ich entstamme, wohlhabend ist?« Er schaute auf seine Stiefelspitzen hinab und suchte dann wieder ihren Blick. »Spricht nicht der Augenschein dagegen?«
    Sie hielt stand. »Euer Schuhwerk mag schadhaft sein«, widerlegte sie ihn, »doch Euer Benehmen – das verrät Euch.«
    Er räusperte sich, senkte den Kopf. Sein blondes Haar fiel ihm tief in die Stirn und verbarg seine Betroffenheit. Doch derAugenblick seiner Verwirrung dauerte diesmal nur einen Herzschlag. Dann richtete er sich auf und strich mit einer heftigen Bewegung die Strähnen aus dem Gesicht. »Ihr unterstellt mir eine Haltung, die ich keineswegs einnehme«, gab er zurück. »Ihr selbst seid, was Ihr mir vorwerft, Jungfer – hochmütig.«
    Sekundenlang war Anna Elisabeth sprachlos. Mit
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