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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling
Autoren: Barbara von Bellingen
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eingeholt hatte. »Gott zum Gruß«, sagte der Reiter, indem er sein Pferd zügelte, »wie weit noch bis zum Dorf?«
    »O – nicht mehr weit«, erwiderte sie und hob dem Reiter das Gesicht entgegen. »Ihr kommt leicht in wenigen Augenblicken hin ... zu Pferd.«
    Der Reiter hatte blondes, schulterlanges Haar und blitzblaue Augen. Seine lange, leicht gekrümmte Nase verlieh ihm etwas Verwegenes, denn sie saß wie der Schnabel eines Raubvogels in dem scharf gezeichneten Gesicht. Aber der breite Mund warweich und milderte den Eindruck. Dieser Mund lächelte und enthüllte dabei zwei Reihen kräftiger weißer Zähne. »Gehe ich recht, wenn ich annehme, dass Ihr auch dorthin wollt, Jungfer?«, fragte der Reiter augenzwinkernd.
    Sie fand sein Benehmen frech. »Wohin sollte ich wohl sonst wollen?«, erwiderte sie abweisend. »Glaubt Ihr, ich streune einfach so im Wald herum – gegen Abend und ohne Ziel?«
    Der Reiter lachte, plötzlich etwas verlegen, wie es schien. »Um Vergebung, Jungfer«, sagte er, »das hätte ich niemals von Euch angenommen.«
    Die junge Frau sagte nichts dazu und musterte ihn aus den Augenwinkeln. Um seine breiten Schultern lag ein Koller aus dunkelgrünem Filz – mit langzipfeliger Kapuze, nützlich bei Regenwetter. Seine Beine steckten in röhrenförmigen Beinkleidern aus speckigem Rauleder von nicht mehr auszumachender Farbe, und die Sohlen seiner Schuhe waren durchgelaufen – ein Fremder, wer wusste, woher? »Wollt Ihr jemanden besuchen im Dorf?«, fragte sie ihn vorsichtig.
    »Nein.« Er betrachtete sie ebenfalls. »Ich reise nur durch.«
    »Ach.« Sie senkte die Lider, denn seine Augen waren bei ihrem Gesicht angekommen und hatten ihren Blick gesucht. »Ihr kommt wohl von weit?«
    »Hmm«, brummte er. »Gibt es ein Wirtshaus im Dorf?« »Seid Ihr ein Kaufmann auf Reisen?«, forschte sie, ohne seine Frage zu beantworten.
    Er schüttelte den Kopf, tätschelte seinem Pferd die Mähne, lächelte.
    »Das hätte mich auch gewundert«, sagte sie. »Wie ein Kaufmann seht Ihr mir überhaupt nicht aus ... zumal Ihr offenbar keinerlei Waren mit Euch führt.«
    Er schwieg einen Augenblick. »Ich bin nur ein Wanderer«, sagte er dann langsam, »ein müder Wanderer auf der Suche nach Herberge für die kommende Nacht.«
    Sie wandte sich zum Weitergehen. »Mein Vater führt eine kleine Wirtschaft«, sagte sie. »Könnt Ihr zahlen?«
    »Ich denke schon«, gab er zurück und trieb sein Pferd wieder an. »Wenn’s nicht zu teuer ist ...«
    »Gut und seinen Preis wert«, informierte sie ihn nüchtern und stapfte los. »Lasst Euer Tier langsam gehen, damit es mich nicht mit Schlamm bespritzt. Dann reitet einfach neben mir her – ich zeige den Weg.«
    Sein Blick ruhte auf ihr, das spürte sie. Seine Stimme hatte einen sanften Klang, als er fragte: »Verratet Ihr mir wohl Euren Namen?«
    »Anna Elisabeth.«
    »Das sind zwei Namen. Bei welchem ruft man Euch?« »Bei beiden.«
    »Wie soll das gehen? Lisanna? Annabeth?«
    Sie musste lachen. »Annelies.«
    »Ich werde Euch Anna nennen. Das gefällt mir besser.«
    »Ganz nach Belieben.« Sie drehte sich halb zu ihm um. »Und wie ist Euer Name?«, fragte sie, sich gleich wieder abwendend, denn seine Augen hatten schon auf ihren Blick gewartet.
    »Albrecht«, sagte er, noch immer in dem leisen, beunruhigend sanften Ton. »Mein Name beginnt mit dem gleichen Buchstaben wie Eurer.«
    »Albrecht Namenlos?« Sie hatte nicht vor, sich einschüchtern zu lassen.
    »Albrecht ... Hund«, antwortete er mit einem Zögern in der Stimme, »Albrecht Hund aus Schwarzental ...«
    »Hund ... ein sonderbarer Name.« Sie übersprang eine Wasserlache, die sich quer über den Weg zog, und hielt dabei die freie Hand schützend über ihren Korb, damit nichts von seinem kostbaren Inhalt herausfallen konnte. »Wo liegt Schwarzental?«
    »Warum wollt Ihr das wissen?«, fragte er.
    »Nur so ... aus Neugier.« Sie wagte einen neuen Blick. »Ist es ein schöner Ort?«
    »Ich weiß nicht ... ich bin da geboren, darum finde ich ihn vielleicht schön, auch wenn er es nicht eigentlich ist ...«
    Sie stieß einen Seufzer aus. »So geht es mir mit meinem Dorf«, erwiderte sie, indem sie den Blick von seinen Augen losriss und ein sonderbares Gefühl der Unsicherheit niederkämpfte. »Es ist klein und nicht besonders hübsch, aber es ist meine Heimat ... und trotzdem, manchmal wünschte ich mir, ich könnte ...« Sie unterbrach sich.
    »Was?«, fragte er nach.
    »Die Welt sehen«, flüsterte sie, »die Welt
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