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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling
Autoren: Barbara von Bellingen
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hinter dem Wald.« Sie hob den Kopf zum Himmel, dessen Rosenfarbe sich vertieft hatte. »Die Schwalben sind schon fortgezogen ...«
    Er setzte seinem Pferd die Fersen in die Flanken. »Es ist die Natur der Schwalben, im Herbst nach Süden zu ziehen«, sagte er. »In der Natur der Bauern aber liegt es –«
    »Ich dachte ja auch nur«, unterbrach sie ihn spröde. »Was spreche ich überhaupt mit Euch über solche Dinge ... mit einem wildfremden Menschen, den ich gar nicht kenne ...«
    »Das ist wahr.« Am Klang seiner Stimme konnte sie erkennen, dass er wieder lächelte. »Warum solltet Ihr mir wohl Eure Gedanken preisgeben – mir, einem wildfremden Menschen? Reden wir über andere Dinge.«
    Sie blies die Wangen auf und bemühte sich, mit dem weit ausgreifenden Tritt seines Tieres Schritt zu halten. »Müssen wir überhaupt noch miteinander reden?«, erwiderte sie schroff. »Alle nötigen Worte sind ja bereits gewechselt, und es gefällt mir nicht, wie Ihr Euch über mich lustig macht.«
    »Tu ich das?« Er fuhr sich mit der Linken durch sein ungeordnetes Haar. »Glaubt mir, Jungfer Anna – das war mir nicht bewusst. Ich bitte demütig um Vergebung.«
    »Seht Ihr?«, blitzte sie ihn an, »da tut Ihr’s schon wieder. Dasist nicht schön von Euch!« Sie schaute auf ihren Rocksaum hinab, der vom Streifen über die langen Gräser einen feuchten Rand bekommen hatte. »Außerdem klatscht mir Eure Mähre mit jedem Schritt Wasser übers Kleid. Obwohl ich Euch vorhin gebeten hatte ...«
    »Vielleicht solltet Ihr Euren Rock ein wenig höher schürzen«, gab er in gespielter Ernsthaftigkeit zurück. »Meine Mähre, wie Ihr meinen Hengst zu nennen beliebt, ist eben nur ein unverständiges Tier und hat überdies unziemlich große Hufe ...«
    »Das könnte Euch so passen.« Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. »Lasst Euren ... Euren Gaul gefälligst langsamer gehen und sanfter auftreten. Ich denke nicht daran, vor Euren Augen meine Beine zu entblößen!«
    Er hielt sein Tier an. »Jungfer Anna«, sagte er, diesmal mit tatsächlichem Ernst in der Stimme, »Ihr tragt da einen schweren Korb – wollt Ihr mir nicht erlauben, ihn zu mir aufs Pferd zu nehmen, und Euch dazu?«
    Sie war ebenfalls stehen geblieben und widmete ihm schweratmend einen empörten Blick. Diese Dreistigkeit! Für den Augenblick fehlten ihr die Worte. Nur ein zorniges »Oh!« entrang sich ihr.
    Er schien sich der Frechheit seines Angebotes überhaupt nicht bewusst zu sein, sondern streckte tatsächlich eine Hand nach dem Korb aus. »Kommt, reicht mir Eure Last herauf.«
    »Auf keinen Fall!« Sie schnaufte indigniert und zerrte mit der freien Hand ihr Umschlagtuch am Hals zusammen. »Damit Ihr mir womöglich davonreitet? Ich müsste ja von allen guten Geistern verlassen sein!«
    »Was enthält denn das Behältnis Kostbares?«, erkundigte er sich, aufs Neue belustigt.
    »Pilze«, war ihre knappe Antwort. Sie schoss ihm einen trotzigen Blick zu.
    Um seine Lippen zuckte ein Lächeln, das sich bis in die Winkel seiner Augen fortsetzte. »Und Ihr fürchtet, ich könnte mich damit davonmachen«, fragte er in gespieltem Ernst, »mit einem Korb voller Pilze? Ich kann ja nicht einmal beurteilen, ob sie essbar sind!«
    Sie gab sich alle Mühe, seinem Blick standzuhalten. »Aber es ist doch jedermann bekannt«, konterte sie, »dass Pilze eine gute Speise abgeben.«
    »Wenn man weiß, welche kein Gift enthalten«, widersprach
    er.
    »Und Ihr wisst es nicht?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Das nimmt mich wunder«, murmelte sie verwirrt. »Als ein Fahrender solltet Ihr Euch eigentlich auskennen.« Sie umklammerte den Henkel ihres Korbes fester. »Im Herbst bietet der Wald doch alle Art von Nahrung, die man nur einzusammeln braucht...«
    »Ich musste bisher noch nicht auf solche Mittel zurückgreifen«, erklärte er mit belustigt zuckenden Lippen.
    Sie nickte zögernd. »Nun ja«, erwiderte sie halbherzig, »arm könnt Ihr nicht sein, Ihr besitzt immerhin ein Pferd – es sei denn, Ihr habt es ...« Sie presste die Hand auf den Mund. Ihre Augen weiteten sich erschrocken.
    »Gestohlen?« Er lachte. »Nein, Jungfer, seid ohne Furcht. Das Tier ist mein. Hab’s selbst aufgezogen ... in Schwarzental.«
    Sie atmete tief durch. »Ich weiß nicht genau, warum«, sagte sie mit einem gepressten Atemzug, »aber ich will Euch einmal glauben. Nur – wenn wir noch länger hier stehen bleiben und schwatzen, werden wir erst in der Dunkelheit das Dorf erreichen.«
    Sie wollte
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