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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling
Autoren: Barbara von Bellingen
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...«, begann er.
    »Das lasst lieber bleiben«, unterbrach sie ihn ein zweites Mal, »denn Ihr versteht nicht viel davon. Nun setzt Euch endlich zu Tisch – das Essen ist gleich fertig!«
    Er holte tief Luft. Doch bevor er etwas sagen konnte, klopfte es erneut, und diesmal dringlicher. Sie warf kopfschüttelnd einen Seitenblick auf die Tür. »Kommt doch herein«, sagte sie, »wir haben nicht abgesperrt!«
    Die Klinke bewegte sich, die Tür schwang langsam auf. Aus der Dunkelheit trat mit unsicheren Schritten eine Gestalt in die Stube – ein ausgemergelter Mann von dreißig oder fünfunddreißig Jahren, dessen blasses Gesicht mit Schweißperlen übersät war. Seine Augen, dunkel umschattet, lagen tief in den Höhlen, als habe er lange nicht mehr geschlafen; seine ärmliche Kleidung war zerrissen, und er schlotterte am ganzen Leibe.
    »Matthias!« Das Mädchen starrte den Mann erschrocken an. »Um Gottes willen – was gibt es denn?«
    Der Mann torkelte in den Raum herein, schwankte, brach in die Knie. »Ich ... suche meine Kinder ...«, stammelte er, »habt ihr sie gesehen ... ?«
    »Deine Kinder?«, fragte der Hausvater. »Ich dächte doch, diehätten Besseres zu tun, als sich nächtens herumzutreiben. Zumal dein Weib –«
    Matthias ließ den Kopf auf die Brust sinken und bedeckte das Gesicht mit den Händen. Kein Laut kam über seine Lippen, aber seine zuckenden Schultern verrieten, dass er weinte.
    Mit zwei Schritten war der Hausvater bei ihm und zog ihn vom Boden hoch. »Was ist geschehen?«, wollte er wissen. »Erzähle, Matthias – warum suchst du deine Kinder bei uns?«
    Der Mann nahm seine Hände noch nicht vom Gesicht. Es dauerte einen Augenblick, bevor er in der Lage war, zu sprechen. »Sie ... sie sind fortgelaufen in der Angst ...«, stammelte er schließlich und wischte sich mit einer halb wütenden, halb resignierten Bewegung über die nassen Augen. Seine Finger hinterließen blutige Schmieren in seinem Gesicht.
    Der Hausvater sah es mit Schrecken. »Du hast ja ganz blutige Hände, Matthias«, sagte er fassungslos. »Rede doch endlich! Wovor haben sich deine Kinder gefürchtet?«
    Matthias räusperte sich, senkte wieder den Kopf. »Der Vogt war da«, erwiderte er mit tränenrauer Stimme, »hatte fünf Mann bei sich und wollte den Zehnten eintreiben ...« Er hielt einen Moment inne, zuckte die Achseln. »Aber ihr alle wisst es ja selbst – meine Ernte ist mir dies Jahr auf dem Halm verdorben. Ich hätt nichts abgeben können ...«
    »Und da haben sie dir das genommen, was du für die Deinen brauchst.« Der Hausvater nickte und zog die Stirn in tiefe Falten. »Ist es das?«
    Matthias schüttelte den Kopf. Ein wildes Schluchzen, das er diesmal nicht unterdrücken konnte, entrang sich ihm. »Wenn es nur das wär«, flüsterte er, »wenn es nur das wär ...«
    Der Hausvater legte den Arm um ihn. »Sorg dich nicht, mein Lieber«, versuchte er zu trösten, »deine Kinder tauchen schon wieder auf – die sind doch alle nicht dumm. Besonders dein Ältester ist ein kluger Bursche. Der bringt die Kleineren wiedernach Hause, sobald die Klosterknechte weg sind. Und was deine Nahrung betrifft ...«, er sah sich zu seinen Gästen um, »da wird sich Rat finden. Es wär nit das erste Mal, dass einer Hilfe braucht.«
    Über Matthias’ eingefallenes Antlitz strömten plötzlich neue Tränen. »Mein Junge«, flüsterte er, »den haben die Knechte ...« Er kam nicht mehr weiter. Mit aufgerissenen Augen, aus denen jetzt unaufhörlich Tränen stürzten, starrte er seine Hände an. »Und da sind die Kleinen ... weggerannt ...«, fügte er zitternd hinzu.
    »Sie haben deinen Jungen verwundet?«, fragte der Hausvater ungläubig, »einen, der noch keine dreizehn ist? Wie schwer ist er verletzt?«
    Matthias, der bis jetzt am Boden gekniet hatte, versuchte wieder auf die Beine zu kommen. »Ihm kann keiner mehr helfen«, sagte er tonlos. »Ihm nicht ... und mir nicht ...«
    Anna Elisabeth sah ihn entrüstet an. »Und deine Frau ist jetzt ganz allein mit der Leiche? Du hättest nicht weggehen dürfen, Matthias – nicht so kurz vor ihrer Niederkunft!« Sie raffte ihr Umschlagtuch von der Wand und warf es sich um die Schultern. »Ich gehe hinüber zur Barbara, Vater, und leiste ihr Beistand. Ihr werdet schon noch ein Weilchen auf das Essen warten müssen.« Ihre Stimme hatte fest und sehr entschlossen geklungen. Mit einem Ruck zog sie die Pfanne vom Feuer und wollte zur Tür. Doch Matthias hielt sie am Rock fest. »Die Barbara
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