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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling
Autoren: Barbara von Bellingen
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großen Augen starrte sie den Reiter an, der eben etwas so Ungeheuerliches ausgesprochen hatte, und wusste nichts zu erwidern. Und mit einem Mal wurde ihr auch bewusst, dass die Männer am Tisch ihr Gespräch mit dem Fremden verfolgt hatten und gespannt auf ihre Antwort warteten.
    Sie holte tief Luft. »O nein«, sagte sie, »jeglicher Hochmut liegt mir fern. Nur ... wenn einer sich aufführt wie ein Herr ... und ist doch keiner ... dann geht mir die Galle über!«
    »Wacker zurückgeschlagen!« Der junge Bauer mit dem roten Bart lachte. »Das ist meine Annelies«, sagte der Mann namens Hannes und grinste. »Die weiß sich zu wehren ... !«
    Der Hausvater runzelte die Stirn, während er den Arm fest um die Schultern des armen Matthias legte. »Mir geht die Galle auch über«, knurrte er mit unterdrücktem Groll. »Du beschuldigst diesen Reisenden, zu viel zu reden, und kannst selbst den Mund nicht halten. Unter meinem Dach sind ehrliche Männer willkommen. Alle – außer Edlen oder Pfaffen.«
    Im Gesicht des Reiters zuckte ein Muskel.
    »Vater, was ich sagen wollte«, lenkte Anna Elisabeth ein, »das war lediglich ...«
    Doch der Hausherr ließ sie nicht ausreden. »Ich dulde es nicht, dass mein eigen Fleisch und Blut einen Gast beleidigt, den ich aufgenommen habe«, sagte er abschließend. »Wo bleibt das Essen?«
    Damit war für ihn der kurze Disput abgetan. Doch seine Tochter sah es anders. Mit kurzen, heftigen Bewegungen rührte sie den Inhalt der Pfanne um – nicht, ohne dem Reiter einenletzten, zornig glühenden Blick zuzuwerfen. »Es ist fertig«, sagte sie knapp.
    »Dann trag auf, Tochter«, sagte der Hausvater, jetzt wieder in milderem Ton. »Vergiss nicht, auch Matthias einen Löffel zu geben. Er hat bestimmt heute noch nichts zu beißen gehabt.«
    Die Haustür ging auf. Herein kam der spindeldürre Junge, der das Pferd des Fahrenden versorgt hatte. In seinem Kielwasser folgten vier Kinder, zerlumpt, frierend, barfüßig und alle noch unter zehn Jahre alt.
    Matthias, der sich umgesehen hatte, stand schwankend von seinem Platz am Tisch auf. »Gelobt sei der Allmächtige«, stammelte er mit rauer Stimme, »ihr seid da – und es geht euch gut...«
    »Wir sind einfach zum Michel«, sagte eins der Kinder, ein etwa fünfjähriges kleines Mädchen mit dünnem blondem Haar. »Beim Michel in der Scheune, da ist es dunkel. Da hätten sie uns nie gefunden.«
    Die Kleine nickte ernsthaft. Ihr Bruder, vielleicht acht Jahre alt und ebenso blond, bestätigte die Worte seines Schwesterchens. »Ja. Aber ich schnitz mir einen Bogen«, sagte er, während Tränen sich in seinen Augen sammelten. »Ich hol unsere Kuh zurück, Vater – kannst dich auf mich verlassen ... !«
    »Unser Schwein auch«, piepste das Jüngste, ein Mädchen, das höchstens drei Jahre alt sein konnte. »Wir gehen zum Kloster und schießen den Vogt tot, hat der Martin gesagt. Nicht, Martin?« Sie zupfte ihren Bruder am Ärmel. »Und der Michel kommt mit – und ich, und die Gertrud. Nur der Mattheis nicht ...«
    »Ach, mein Schätzchen!« Der Vater der Kinder ließ sich auf die Knie nieder und umfing sein Jüngstes mit beiden Armen. »Du hast ja ganz kalte Finger...« Er drückte das kleine Mädchen an sich. »Die Annelies, die gibt dir ein bisschen zu essen – dann wird dir warm ...«
    Die anderen Männer, die am Tisch gesessen hatten, erhoben sich. »Dank für den Abendtrunk, Ohm«, sagte der mit dem roten Bart, »wir gehen nach Hause zu den Unsrigen. Wenn wir unser Nachtmahl verzehrt haben, treffen wir uns beim Matthes.« Er sah Hannes an. »Du kommst nach?«
    »Das versteht sich.« Hannes schob das Kinn vor. Auch er war aufgestanden. »Ich ess daheim ein Stück Brot und Speck«, sagte er und warf einen mitleidigen Blick auf die zerlumpte kleine Gesellschaft, die sich um ihren Vater geschart hatte. »Damit hier für die Kinder genügend übrig ist ...«
    Alle stapften hinaus in die Nacht. Der Hausvater ließ sie mit einem Nicken schweigenden Einverständnisses gehen. Hannes war der Letzte. Er wollte sich mit einer Umarmung von Anna Elisabeth verabschieden, doch sie wich seiner Berührung aus. »Nicht, Hannes«, sagte sie, während sie sich abrupt abwandte. »Dies ist kaum der rechte Augenblick.«
    Er ließ die Arme sinken. Im Hinausgehen warf er ihr einen Blick zu, der Überraschung und völlige Verständnislosigkeit zu erkennen gab. »Dann wünsch ich dir eine gute Nacht, Anne- lies«, sagte er leise, »und dass du dich morgen wieder besser
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