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Blutige Asche Roman

Titel: Blutige Asche Roman
Autoren: Marion Pauw
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Teil des medizinischen Personals auswies, gab mir Anweisungen. Sie befahl mir, meine Hosen bis zu den Kniekehlen herunterzulassen und mein Hemd bis auf halbe Brusthöhe hochzuziehen. Anschließend sollte ich in einen speziellen Behälter pinkeln.
    »Können Sie kurz rausgehen?«
    »Nein.« Keine Entschuldigung, keine Erklärung, nichts.
    Ich war daran gewöhnt, im Beisein anderer zu pinkeln. Aber das waren keine Frauen gewesen.
    »Das ist unangenehm«, sagte Mo. »Aber wir müssen alle neuen Bewohner auf Alkohol und Drogen kontrollieren.«
    »Noch einmal: Zieh die Hose runter und schieb dein Hemd hoch, damit ich deinen Bauch sehen kann.« Die Pflegerin trug zwar keinen weißen Kittel, hatte aber eine sehr autoritäre Stimme.
    Ich zog Hose und Unterhose nach unten. Da stand ich nun, mit einem schlaffen, weißen Pimmel. Ich wurde wütend. Warum musste ich pinkeln, wenn diese Frau dabei war, die nicht einmal den Anstand hatte, sich richtig zu kleiden? Warum tat man mir das an?

    »Immer mit der Ruhe«, sagte Mo. »Gleich ist es vorbei.«
    »Jetzt pinkel in den Behälter«, sagte die Frau.
    Ich versuchte mich trotz meiner Wut zu entspannen und den Urin laufen zu lassen, aber nichts geschah.
    »Entspann dich«, sagte Mo. »Dann kommt es von selbst.«
    Ich spürte einen Anflug von Panik. Im Spiegel sah ich, wie mir die Schwester ununterbrochen auf den Schritt starrte.
    »Kann sie nicht woanders hingucken?«
    »Nein, das kann ich nicht.«
    »Sie muss sicherstellen, dass du nicht schummelst«, erklärte Mo. »Dass du nicht fremden Urin in den Behälter schüttest.«
    Keine Ahnung, wie ich das hätte anstellen sollen, mal ganz abgesehen davon, dass ich fremden Urin sowie fremde Körperflüssigkeiten nach Möglichkeit mied.
    »Es klappt wirklich nicht. Sie muss rausgehen oder wenigstens woanders hinschauen. So schaff ich das nicht.«
    »Bis jetzt hat doch alles hervorragend geklappt«, hob Mo an, aber die Schwester unterbrach ihn. »Nicht schimpfen, schiffen. Sofort.«
    Ich sah, dass Mo lachte. Er war also auch gegen mich.
    »Wenn du nicht pinkeln kannst, kommst du in die Isolierzelle, bis du so weit bist«, sagte die Schwester.
    Im Gefängnis hatten wir auch eine Isolierzelle gehabt. Ich war einmal drin gewesen, als ich noch nicht lange in Haft war und nicht wusste, dass man besser tut, was sie sagen. Man hatte mich drei Tage hintereinander dringelassen, so lange, bis ich nicht mehr wusste, wer ich war, wo ich war und ob es mich überhaupt noch gab.
    Ich holte tief Luft. Mit größter Anstrengung presste ich ein paar Tröpfchen heraus.

    »Gerade noch mal davongekommen! Und jetzt zieh die Hose wieder hoch.«
    Als ich angezogen war, konnte ich wieder klar denken. Mir fiel ein, dass Schwestern wahrscheinlich nicht entscheiden durften, wer in die Isolierzelle musste und wer nicht. Im Gefängnis wäre das bestimmt nicht der Fall gewesen. Ich beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen, sobald ich Zeit dazu hätte.
     
    Ich bekam eine Einzelzelle zugewiesen. Sie war nicht groß, höchstens zwei mal dreieinhalb Meter, aber es gab alles, was ich brauchte. Ein Bett. Einen Schreibtisch, obwohl ich hoffte, nicht wieder viel zu viel Zeit zu haben. Eine Dusche, ein Waschbecken und ein davon abgetrenntes Klo. Es gab keine normalen Türen, sondern Klapptüren. Ich würde also ungestört duschen, kacken und pinkeln können. Eindeutig eine Verbesserung.
    Der Schlafsaal der Dwingelerheide zum Beispiel, wo ich meine Jugend verbracht hatte, mit den Gemeinschaftsduschen und Toiletten, deren Türen zu klein waren, so dass jeder am Stuhlgang der anderen teilhaben durfte. Wenn man da auf dem Klo saß und einen abseilte, fingen alle an zu klatschen. Und wenn man beim Um-die-Wette-Masturbieren unter der Dusche gewonnen hatte auch, obwohl ich meinen Schwanz im Beisein der anderen nie hochbekam und deshalb nie gewann. Aber beim Kacken war ich der Beste.
    Und dann die Justizvollzugsanstalt Harderwijk, wo ich im Lauf der Jahre Zelle und Toilette mit immer wieder neuen Männern geteilt hatte. Mein letzter Zellengenosse stank. Obwohl er dasselbe Essen bekam wie alle anderen auch. Zweimal am Tag nahm er den Thron in Besitz, wo er die widerlichsten
Fürze von sich gab. Die Toilettentür konnte man abschließen, aber der Gestank drang durch alle Ritzen. Ich habe mich regelmäßig darüber beschwert, sogar schriftlich. Bei ihm, aber auch beim Gefängnisdirektor und bei der Königin.
    Mein Zellengenosse hat mich bloß ausgelacht. »So scheißt ein richtiger
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