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Blutige Asche Roman

Titel: Blutige Asche Roman
Autoren: Marion Pauw
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Küchenblock in der Raummitte gerade gemeinsam Obsthäppchen zu.
    »Wie man sieht, geht es schon wieder«, sagte ich zu Petra, der überreifen Mutter Oberin mehrerer zwanzigjähriger Erzieherinnen mit Nabelpiercings. Warum sie ihr Leben damit verbringen wollten, mit Dreijährigen zu basteln, war mir ein Rätsel.
    »Ja, weil er wusste, dass du kommst«, antwortete sie streng.
    »Petra.« Ich holte tief Luft. »Ich kann verstehen, dass es nicht immer leicht ist mit Aron. Ihr tut, was ihr könnt, und
ich habe großen Respekt davor, wie ihr diese Krippe führt. Aber ich kann nicht wegen jeder Kleinigkeit angelaufen kommen, und heute schon gleich gar nicht. Ich war gerade mitten in einer Besprechung mit einem Mandanten.« Ich versuchte, möglichst freundlich zu klingen. Lass-uns-wie-zwei-Erwachsene-in-Ruhe-über-alles-reden. Auch wenn du findest, dass ich die unfähigste Mutter aller Zeiten bin, mit einem Monster von einem Kind. Und auch wenn ich den dumpfen Verdacht habe, dass du eine Krippe leitest, um nicht nur die Kinder, sondern auch deren Eltern herumzukommandieren.
    Sie stemmte die Arme in die Hüften. »Iris, jemanden beißen ist keine Kleinigkeit. Das ist schon ein ziemlich extremes Verhalten. Wenn das Erwachsene täten, kämen sie vor Gericht. Du müsstest das eigentlich am besten wissen.«
    »Aber es sind nun mal keine Erwachsenen.«
    »Jetzt hör mir mal gut zu: Ich bin schon zwanzig Jahre Leiterin einer Krippe und habe so einige Kinder erlebt. Aron ist ein Sonderfall. Du solltest mal mit ihm zum Kinderpsychologen gehen.«
    »Ich gebe ja zu, dass er schwierig ist. Wie du weißt, wurde Aron vom Hausarzt bereits überwiesen und steht auf der Warteliste.«
    »Es würde schon viel ausmachen, wenn er zu Hause nicht mit allem durchkäme. Wenn du ihm etwas mehr Disziplin beibringen würdest.«
    Maaike und Emily stellten das Obst auf den Tisch. Ich sah, wie Aron auf einen Hochstuhl kletterte und sich ein Apfelstückchen aus der Schale nahm. Sichtlich zufrieden kaute er darauf herum.
    »Du kannst dir gar nicht vorstellen, was bei mir zu Hause los ist.«

    »Du kannst froh sein, dass wir ihn überhaupt noch behalten. Und apropos Wartelisten: Wusstest du, dass wir zurzeit eine Warteliste von anderthalb Jahren haben?«
    »Natürlich weiß ich das. Ich bin dir auch sehr dankbar, dass Aron bleiben kann. Genau das willst du doch, oder? Dass ich jetzt einlenke und sage, was für eine Mutter Teresa du bist.« Als Anwältin war ich eigentlich darin ausgebildet, Verhandlungen zu führen, stichhaltige Argumente zu bringen, den richtigen Ton zu treffen, eine Schwachstelle zu finden. Aber bei der Leiterin der Krippe meines Sohnes versagte ich vollkommen.
    »Ich glaube, es ist besser, du nimmst Aron sofort mit und lässt ihn für den Rest der Woche zu Hause. Dann versuchen wir es nächste Woche noch mal.« Sie fletschte die Zähne - das Lächeln eines aggressiven Affen. »Viel Erfolg.«
    Ich hatte verloren. Diesen Fall hatte ich verloren.
     
    Aus irgendeinem Grund hörte Aron sehr gut auf meine Mutter. Wahrscheinlich, weil er sich ein bisschen vor ihr fürchtete, wie alle anderen auch. Sogar ich, ihre Tochter, fühlte mich bei ihr nie ganz wohl. Sie war völlig unberechenbar, so als gäbe es bei ihr zahlreiche unsichtbare Grenzen, die man jederzeit überschreiten konnte. Nur, dass man nie wusste, wo und wie. Wahrscheinlich genoss sie es, dass ich sie brauchte.
    Meine Mutter kreuzte mit knallrot lackierten Zehennägeln in weißen Sandalen auf, hörte sich meine Geschichte an und erinnerte mich gereizt daran, dass sie in zwei Tagen in Urlaub fuhr. »Aber das ist noch nicht alles, du wolltest mir zur Abwechslung auch mal einen Gefallen tun: Auf mein Haus aufpassen, schon vergessen?«
    Sie nahm Aron auf den Arm und ging zu ihrem Wagen.
»Du hast noch heute Nachmittag und morgen Zeit, eine Betreuung für ihn zu organisieren. Ansonsten musst du dir eben freinehmen. Oder dich krankmelden.«
    Sie gurtete Aron im Kindersitz fest. Daran erkennt man die beflissene Oma - sie besitzt eine noch ausgefeiltere Kinderausstattung als man selbst.
    »Wenn man mal ein paar Tage nicht arbeitet, stirbt man nicht. Das gilt auch für dich.«

4
    Ich wurde in ein Zimmer gebracht, in deren Mitte sich ein Urinal befand. Daneben stand ein großer Spiegel. Ein Bewacher nahm mir die Handschellen ab. Ich schüttelte meine Arme aus, um die verkrampften Gliedmaßen wieder zu lockern.
    Eine Schwester ohne weißen Kittel oder ein anderes Kleidungsstück, das sie als
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