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Blutige Asche Roman

Titel: Blutige Asche Roman
Autoren: Marion Pauw
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Mistkerl.«
    »He, du Drecksack, halt die Schnauze!«
    »Warte nur, morgen krieg ich dich, du Bastard!«
    Aber in Wirklichkeit hatte es noch niemand gewagt, mich anzufassen. Wir waren hier schließlich nicht in Amerika. Die Gefangenen verbrachten ihren Tag damit, Sprüche zu klopfen. Ab und an wurde über Nichtigkeiten gestritten wie über eine verschwundene Schachtel Zigaretten. Bei uns gab es keine Vergewaltigungen und niemandem wurden die Zähne ausgeschlagen, nur damit das mit dem Blasen besser geht.

    Man mied mich und zog mich auf. Einmal stahl man mir die Kleider, als ich gerade duschte. Manchmal wurden meine Briefe abgefangen und laut im Aufenthaltsraum vorgelesen. Beinahe täglich spuckte man mir ins Essen. Aber sexuell belästigt wurde ich nicht.
    Wenn ich nicht freiwillig aufhörte zu schreien, bekam ich eine Beruhigungstablette. Und am nächsten Tag tat jeder so, als sei alles in bester Ordnung. Obwohl es Monate gab, in denen niemand beim Essen neben mir sitzen wollte. Aber das machte mir nichts aus. Ich wollte einfach nur meine Ruhe haben.
    Die A28 und die A1 hatten sich seit 1999 kaum verändert. Ich drückte mir die Nase an der Scheibe platt und versuchte so viele Eindrücke wie möglich aufzunehmen. Die Wolken, obwohl ich die im Gefängnis zur Genüge betrachtet hatte, die Weiden und vor allem das Wasser.
    »Du machst die Scheiben schmutzig«, sagte der Aufseher. Er saß neben dem Fahrer auf der Vorderbank und hatte sich halb zu mir umgedreht. »Sitz gerade!«
    Ich wollte hinausschauen. Ich hatte nicht vor, mir das auch noch nehmen zu lassen, nach allem, was man mir bereits genommen hatte.
    »Gerade sitzen, oder es gibt Ärger!« Der Begleiter wandte sich ab. »Depp.« Er sagte es leise, formte das Wort kaum hörbar mit den Lippen, aber es war mir trotzdem nicht entgangen. Außerdem hatte er überhaupt kein Recht, so etwas zu sagen. Ich hatte mir die Richtlinien angesehen. Wenn man zu viel Zeit hat, macht man so was. Ihnen zufolge müssen die Aufseher darauf achten, dass »das bestehende Stressniveau durch den Transport nicht zusätzlich erhöht wird«.
    Andererseits war ich es gewohnt, beschimpft zu werden,
und hatte schon Schlimmeres gehört. So gesehen dürfte das Wort »Depp« mein Stressniveau nicht zusätzlich erhöht haben, der Aufseher verstieß also nicht gegen die Richtlinien. Aber darüber ließ sich bestimmt streiten. Ich könnte einen Beschwerdebrief schreiben, aber ob ich in der Klinik auch noch zu viel Zeit haben würde? Es handelte sich schließlich um eine Zwangsverlegung. Ich würde an Therapien teilnehmen müssen, um langfristig wieder in die Gesellschaft eingegliedert zu werden. So stand es zumindest in der Broschüre, die ich einige Wochen vor meiner Verlegung bekommen hatte.
    »Weißt du, wer das ist?«, fragte der Fahrer den Aufseher mit einem Kopfnicken in meine Richtung.
    Dass es erlaubt war, in meinem Beisein über mich zu reden, konnte ich mir eigentlich nicht vorstellen.
    »Es stand groß in allen Zeitungen, vielleicht kannst du dich noch daran erinnern: Loser wird von der Nachbarin abgewiesen und flippt ein wenig aus. Zuerst hat er seine Wut an der Nachbarin ausgelassen, danach an ihrer sechsjährigen Tochter. Als er mit dem Niederstechen und Aufschlitzen fertig war, hat er sich in aller Ruhe eine Zigarette angesteckt. Kannst du dir das vorstellen? Es lag Asche auf beiden Leichen, und die Kippe hat er auf dem toten Kind ausgedrückt.«
    Der Aufseher drehte sich wieder zu mir um. »Hat dir das Spaß gemacht? Ging dir dabei einer ab?«
    Ich presste meine Nase nur noch fester gegen die Scheibe. Neben uns fuhr ein Geländewagen. Ich hatte zwar schon mal einen im Fernsehen gesehen, aber noch nie in echt. 1999 fuhren die Leute noch einen ganz normalen Kombi, wenn sie Platz für Golfsachen, Campingliegen und einen Kinderwagen brauchten. Der modernste Kinderwagen war ein Bugaboo, aber auch den hatte ich noch nie in echt gesehen.

    Hinten drin saßen zwei Kinder, sie waren in Sitzen mit Zebramuster angegurtet. Ein Junge und ein Mädchen, anscheinend Zwillinge, ungefähr drei Jahre alt. Beide hatten blonde Locken, und das Mädchen erinnerte mich an Anna, mein Nachbarskind. Ich schluckte den metallischen Geschmack von Blut herunter.
    Der Fahrer sagte laut: »Wir können den Wagen auch einfach in den Kanal fahren und den Mistkerl in seinem Käfig ersaufen lassen.«
    »Ein bedauerlicher Unfall!« Der Aufseher drehte sich kurz um, damit ich auch ja alles hörte.
    »Und dann rauchen wir
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