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Blutige Asche Roman

Titel: Blutige Asche Roman
Autoren: Marion Pauw
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seelenruhig eine Fluppe.«
    »Du meinst, eine dicke, fette Tüte.«
    Ich ließ das kleine Mädchen in dem Geländewagen nicht aus den Augen. Es kam mir vor, als hätten wir Blickkontakt, aber das war wegen der getönten Scheiben unmöglich. Sie hatte die Augen weit aufgerissen und ganz lange Wimpern, wie die einer Puppe. Einer Babypuppe. Augen, die dich unverwandt anstarren und erst zugehen, wenn man die Puppe auf den Rücken legt.
     
    Wir erreichten hohe Mauern, aus denen spitze Eisenstäbe ragten. Ein Tor ging auf, und wir fuhren in eine Schleuse. Eine Sekunde hielten wir in einer nur von einer Neonröhre erhellten Betonkammer. Auf beiden Seiten nahmen uns Kameras ins Visier.
    »Lachen, da kommt das Vögelchen raus!«, sagte der Fahrer. Gefeixe. Das Tor ging auf, und wir durften weiterfahren.
    Wir kamen zu einem sandfarbenen, hufeisenförmigen Gebäude. Der Transporter hielt vor dem Eingang. Der Aufseher stieg aus und klapperte mit seinem Schlüsselbund, bis er den
richtigen Schlüssel gefunden hatte. Der Käfig wurde geöffnet.
    »Aussteigen.«
    Mühsam richtete ich mich auf. Die Handschellen saßen eng, und meine Hände kribbelten. Ich fiel fast aus dem Wagen. Der Aufseher fing mich auf, ließ mich aber so schnell wie möglich wieder los. So wie ein Müllmann Müll anfasst. Bloß weg mit dem Dreck.
    Er scheuchte mich vor sich her, eine Treppe hoch. Ich hatte Bauchschmerzen, und mir war schlecht. Furchtbar schlecht.
    Elektronische Türen glitten zur Seite. Wir betraten einen kleinen Vorraum mit einer Rezeption. Dahinter saß eine Frau, ihre Haare hatten die Farbe von Maraschino-Kirschen. Sie warf uns einen flüchtigen Blick zu und telefonierte ungerührt weiter. Mit wem sprach sie? Ging es um mich?
    Ein Aufseher kam uns entgegen und begann wortlos, mich zu durchsuchen. Er tastete mich mit seinen großen Händen von oben bis unten ab. Ich versuchte, ruhig zu bleiben. Mich nicht wirklich berühren zu lassen, obwohl seine Hände über meinen Schritt und die Innenseite meiner Oberschenkel glitten. Danach wurde ich durch eine Sicherheitsschleuse gelotst.
    Dahinter wartete ein Mann im roten T-Shirt auf mich. »Herzlich willkommen, Ray«, sagte er. »Ich bin Mohammed de Vries, Soziotherapeut der Aufnahmestation. Auf dieser Station wirst du zunächst bleiben. Du darfst mich Mo nennen.«
    »Mo«, wiederholte ich. Ich kannte diese jovialen Typen, die vorgeben, dein Freund zu sein und dich hinterher einfach fallen lassen.
    »Ich bring dich als Erstes zur ärztlichen Untersuchung, zur Alkohol- und Drogenkontrolle. Danach kommst du auf deine Station.«

    »Dürfen die Handschellen runter?«, fragte ich.
    »Noch nicht.«
    »Warum nicht?«
    Niemand beantwortete meine Frage.
    »Warum nicht?«, fragte ich erneut.
    »Unterschreiben Sie bitte, dass Sie ihn in Empfang genommen haben?« Mein Aufseher hielt dem Mann, den ich Mo nennen durfte, ein Klemmbrett mit einem Blatt Papier unter die Nase. Mo setzte seinen Namen darauf. »Sieht ganz so aus, als würde ich eine Kuriersendung bekommen, was, Ray?« Er zwinkerte mir zu.
    »Auf Wiedersehen.« Der Aufseher lief durch die Schiebetüren wieder nach draußen.
    »Kommst du kurz mit?«, bat mich Mo.
    Als ob ich eine Wahl hätte.

3
    Ein Kind ist eine emotionale Bereicherung. Da ist durchaus was dran. Seit ich Aron hatte, überfiel mich häufig ein Gefühl völliger Machtlosigkeit. Das führte dazu, dass ich ausgiebig fluchte - natürlich nie, wenn er dabei war, das wäre ja noch schöner. Und auch ans Jammern hatte ich mich gewöhnt. Unterm Strich konnte ich nicht gerade sagen, dass mich das Muttersein zu einem netteren Menschen gemacht hatte.
    Auf dem Weg zu Krippe jammerte und fluchte ich abwechselnd. Es war schon das dritte Mal in diesem Monat, dass ich Aron vorzeitig abholen musste, weil er sich danebenbenommen hatte. Von drei weiteren Vorfällen ganz zu schweigen, aber da hatte meine Mutter einspringen können.
    Ich musste an Arons Erzeuger denken. Der brauchte sich nur alle zwei Wochen einmal um ihn kümmern. Und in der Zwischenzeit ging er nicht mal ans Telefon. Obwohl er sich wahnsinnig großzügig fand. Er hatte das Kind immerhin anerkannt und zahlte 250 Euro Alimente im Monat. Eine Art Schmerzensgeld. Wir waren beide zu gleichen Teilen für Arons Existenz verantwortlich. Nur, dass sich mein Leben völlig verändert hatte, während er weitermachen konnte wie bisher.
    Ohne Aron hätte ich mir viel Ärger erspart. Aber ich war schon in der vierzehnten Woche, als ich merkte, dass ich
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