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Blutige Asche Roman

Titel: Blutige Asche Roman
Autoren: Marion Pauw
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Rippen. Er zuckte nicht einmal zusammen. Dafür schnitt das Messer noch mehr in meine Kehle. Ich spürte, wie etwas Warmes an meinem Hals herunterlief. »Wir gehen in die Küche. Hier gäbe es eine viel zu große Sauerei. Los, lauf schon.«
    Ich sah meine Mutter an. Sie musste eingreifen. Sie würde niemals zulassen, dass ich ermordet wurde. Am Ende würde sie eingreifen. Genau wie damals, bei den Junkies.
    Twan schubste mich vor sich her. »Mama?«, flehte ich. »Sag etwas! Das kannst du doch nicht zulassen?«
    »Halt’s Maul.« Van Benschop trat mich in die Kniekehle. »Das hast du dir selbst zu verdanken.«
    Ich sah meine Mutter an und wusste, dass sie mich retten würde. Natürlich würde sie. Ihr Mund ging auf und wieder zu.
    Erneut wurde ich ein Stück weiter in Richtung Küche geschubst.
    »Nein, Twan!«, sagte meine Mutter nach einer Ewigkeit. Ihre Stimme klang weinerlich und nicht sehr überzeugend. Aber sie hatte etwas gesagt.
    »Hör auf.«

    Mehr brauchte ich nicht. Van Benschops Griff lockerte sich kurz. Ich trat ihm fest auf den Fuß und schaffte es, mich aus seiner Umklammerung zu befreien. »Verdammt!«, rief er. »Verdammt!«
    Ich rannte durch die Haustür nach draußen, die Straße entlang.
     
    Die Polizei kam nach wenigen Minuten. Meine Mutter und Twan hatten keinen Fluchtversuch unternommen.
    »Es tut mir leid, Mama«, sagte ich, als meine Mutter von zwei Beamten zum Polizeiauto geführt wurde. Sie wirkte alt und wehrlos, etwas, das ich gar nicht an ihr kannte. »Es tut mir leid, dass dein Leben so gelaufen ist. Du hättest auch einfach glücklich sein können. Merkst du das?« Meine Stimme überschlug sich, aber vielleicht hatte ich mehr zu mir selbst gesprochen und weniger zu ihr. »Du hättest auch einfach glücklich sein können.«

56
    Es sah dort beinahe so aus wie in meinem Aquarium, fünf Meter unter dem Meeresspiegel. Nur, dass alles viel größer war. Man konnte so weit sehen, wie man wollte. Außerdem kannte ich die Fische noch nicht. Während ich herumschwamm, gab ich ihnen heimlich Namen. »Du da, kleiner Zebrafisch. Du schwimmst ganz schnell weg, aber ich habe dich trotzdem gesehen. Ich nenn dich Henk. Oh, ein Papageienfisch! Du, der du an der Koralle knabberst, heißt von nun an Rembrandt.«
    Seit ich hier war, tauchte ich jeden Tag. So lange, bis der Tauchlehrer auf seine Uhr klopfte und uns das Zeichen zum Auftauchen gab.
    Ich fand es nie schlimm, zurückzukehren. Am Ufer warteten Iris, Mo und Aron. Dann gingen wir zu viert am Strand spazieren, und Aron und ich bauten Burgen. So wie ich es früher mit Anna gemacht hatte, nur dass die hier aus Sand und nicht aus Lego waren. Ich spielte Strandtennis mit Mo und schwamm mit Iris Kastelein, die doch tatsächlich meine Schwester war, zu dem Floß, das etwas weiter draußen in der Bucht vor Anker lag.
    Dort blieben wir eine Weile sitzen, ließen unsere Beine ins Wasser baumeln und wandten unsere Gesichter der tief stehenden Sonne zu. Noch ein kleines bisschen, dann würde sie im Wasser verschwinden. Iris sagte, dass man diese Tageszeit magic hour nannte.
    Ich musste sie einfach fragen. »Sind wir jetzt eine Familie?«
    Sie sah mich mit ihren hellblauen, dunkel umrandeten Augen an. Sie waren genau wie die von Mama, nur viel lieber.
    »Eine Familie ist eher so etwas wie Vater, Mutter, Kind, deshalb stimmt die Bezeichnung nicht ganz. Aber wir sind natürlich trotzdem verwandt.«
    Ich schluckte mühsam und starrte auf meine Füße.
    Dann sagte Iris: »Was rede ich hier eigentlich? Natürlich sind wir eine Familie. Vielleicht keine ganz normale, aber wir gehören trotzdem zusammen. Oder was meinst du?«
    Ich räusperte mich. »Ich wollte immer zu einer Familie gehören.«
    »Ich auch«, sagte sie. »Ich auch.«

Danksagung
    Siska Mulder und Raymond Leta
Sébastien Roturier von Le fournil de Sébastien
Dr. jur. Geert-Jan Knoops, Dr. jur. Joyce Rijken
und Dr. jur. Jessica Niezen
Aquarium Holgen
Jildou Heerschop
Elsa den Boer
Sonja Verhagen

Verlagsgruppe Random House
     
     
    Vollständige deutsche Erstausgabe 0½010
    Copyright © 2008 by Marion Pauw
    Copyright © 2009 der deutschen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Printed in Germany 2009
    eISBN : 978-3-641-04362-9
     
    www.heyne.de
    www.randomhouse.de
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