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Blut will Blut

Blut will Blut

Titel: Blut will Blut
Autoren: Linda Barnes
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1.98
steckte. «Die letzte Chance auf einen Schluck, bevor ich gehe», warnte er.
    «Raus!»
    Spraggue kletterte durch die
Hecktür des Lieferwagens, achtete darauf, sich verstohlen im Schatten zu
halten. Seine Penner-Nummer paßte nicht zu dem unauffälligen grauen Fahrzeug,
das an einer Seite des Charles-Street-Einganges zum Boston Public Garden
parkte. Er war froh, daß er den schäbigen alten Hut hatte; es fing an zu
regnen.
    Er drehte eine Runde durch den
Park, blieb mehrmals stehen, um Muskateller zu trinken. Wann, fragte er sich,
waren die ordentlichen Schilder, auf denen jeder Baum beschrieben wurde, den
unbeholfen eingeritzten und ineinandergeschlungenen Initialen gewichen, die für
unsterbliche Liebe standen? Von Zeit zu Zeit tippte ein Wermutbruder an den
Hut, aber der Nieselregen war ein praktischer Schild. Es konnte nicht von einem
erwartet werden, daß man zum Plaudern aufgelegt war, wenn man den Kopf in den
Kragen vergraben hatte und die Schultern hochgezogen, um die kalten
Regentropfen abzuwehren.
    Alles ruhig auf der Charles,
auf der Beacon, der Arlington und Boylston Street. Die schimmernden Fenster des
Restaurants im Ritz-Carlton schienen Welten entfernt, nicht einfach nur auf der
anderen Straßenseite. Der wiegende Gang, den Spraggue für seine Penner-Rolle
gewählt hatte, fiel ihm inzwischen leichter, wirkte echter. Er überquerte die
Wege in der Mitte des Parks, hielt auf den Teich zu.
    Tagsüber, bei schönem Wetter,
war der Teich das belebte Zentrum des Garden. Popcorn- und Eiscremeverkäufer
teilten sich mit Touristen die Brücke, mit Schulkindern, eiligen
Geschäftsleuten, die sich mehr nach einer halben Stunde Sonne sehnten als nach
ihren Thunfisch-Sandwiches. Wolken bunter Luftballons schmückten die grünen
Brückengeländer. Darunter zogen die anmutigen Tretboote mit Harvard-Studenten
ihren unsicheren Kurs durch V-förmige Entenformationen.
    Um 1.15 Uhr nachts war die
Brücke leer. Ein rosafarbener, schlaffer Luftballon, an einen eisernen Pfahl
gebunden, hing verloren zum dunklen Wasser hinab. Von Zeit zu Zeit schlenderte
ein Liebespaar vorbei, tauchte im Schein der hohen, kugelförmigen Brückenlampen
auf; Penner kamen häufiger. Spraggue ahmte ihren schlurfenden Schritt nach, als
er die Treppe zur Charles-Street-Seite der Brücke hinunterging, achtete darauf,
sein Gesicht vor den aufdringlichen Lichtern abzuschirmen.
    Heute nacht kein vertrautes
Gesicht im Garden. Noch nicht. Das jähe Geräusch eines knackenden Zweiges ließ
ihn herumwirbeln, nur um dann ins Nichts zu starren. Ein entspanntes Grinsen
breitete sich auf seinem Gesicht aus. Die Wahrscheinlichkeit, im Garden
überfallen zu werden, war heute geringer als sonst, da jeder zweite Penner ein
verkleideter Cop war. Er dachte über das letzte Pärchen nach, das Arm in Arm
über die Brücke geschlendert war. Sehr romantisch. Falls sie Undercover-Cops
waren, würde die Polizei sie jetzt wahrscheinlich dabei erwischen können, wie
sie in den Bü schen am Teich gegen eine ganze Reihe von Vorschriften
verstießen.
    Der kleine Tunnel unter der
Brücke war der vereinbarte Treffpunkt. Spraggue ging beiläufig darunter her.
Seine Augen fotografierten die mit Graffiti beschmierten grauen Steine. Eine
leere Flasche Southern Comfort verzierte den Weg. Einen Augenblick hob sich der
Nebel, dann war er wieder im Freien. Er umrundete den Teich einmal, bummelte an
der Edward-Everett-Hale-Statue vorbei, kehrte zum Lieferwagen zurück.
    «Jesus», sagte der Neue, der
auf sein diskretes Klopfen aufmachte. «Ich wollte Ihnen schon sagen, die
Heilsarmee wäre ein Stück die Straße rauf.» Er grinste Spraggue breit an und
half ihm hinein. «Sie sind ja klatschnaß. Die Jungs draußen werden tagelang was
zu meckern haben.»
    «Ist der Lieutenant hinten?»
unterbrach Spraggue.
    «Ja.»
    Zwanzig nach eins: Hurley
starrte auf seine Uhr, als Spraggue hereinkam. Eines von acht auf einem
schmalen Tisch aufgereihten Walkie-talkies erwachte knackend zum Leben.
    «Zielperson eins betritt jetzt
von der Boylston Street den Park. Pünktlich.»
    «Irgendwas zu sehen von...»,
begann Spraggue.
    «Nein», erwiderte Hurley
schroff. «Schlechte Nacht für so was. Der Nieselregen macht es schwer,
überhaupt was zu erkennen. Vielleicht taucht keiner auf.»
    «Vielleicht», stimmte Spraggue
zu. «Hat einer von ihnen die Cops angerufen?»
    «Nur unsere Miss Ambrose. Sie
ist etwa zur Abendbrotzeit reingejammert gekommen. Wie eine Sirene. Wir hätten
die Szene filmen und
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