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Blut will Blut

Blut will Blut

Titel: Blut will Blut
Autoren: Linda Barnes
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herausfinden, was
auf der anderen Seite lag.
    Geschafft! Spraggue lauschte,
stieß dann beide Hände durch die Öffnung. Die Wand war vielleicht fünfzehn
Zentimeter dick. Seine Finger konnten die andere Seite packen. Er zog sich
hoch, spreizte auf dem schmalen Sims die Ellbogen, um sich abzustützen.
    Es war ein Büro, eines, in dem
er bislang noch nicht gewesen war. Leer bis auf ein paar Möbelstücke. Er holte
tief Luft, wuchtete sich hoch und zog sich durch die schmale Öffnung. Als er
halb durch war, drehte er sich unter Schmerzen auf den Rücken. Die Öffnung war
nahe genug unter der Decke, daß er den Deckenfries packen konnte.
Überraschenderweise hielt er sein Gewicht. Seine suchende Hand fand ein
Wasserrohr, das genau an der richtigen Stelle angebracht war. Er zog sich daran
hoch. Seine Beine scharrten durch die Öffnung, und lautlos ließ er sich auf den
Boden fallen.
    Dieses Büro besaß, wie die
anderen, eine Verbindungstür. Er würde nicht das Risiko des Korridors eingehen
müssen. Er durchquerte ein weiteres verlassenes Büro, fand dann dasjenige, das
er suchte. Er erstarrte, lauschte. Schritte, ja, aber weit entfernt. Die
Polizei war immer noch im Keller. Er hatte beinahe Angst, sich umzuschauen.
Was, wenn dieses flüchtige Bild einer weißen Blumenschachtel genau das gewesen
war: nur ein Bild, eine Erinnerung, geweckt durch ein rechteckiges Stück weißes
Papier auf einem Schreibtisch?
    Die Schachtel war da. Spraggue
raffte sie an sich, klemmte sie unter den Arm. Die Polizei im Keller; also
hatte er hier seine große Chance. Er marschierte aus dem Büro, stürmte die Treppe
hinunter und war schon aus dem Personaleingang, bevor er über die Risiken einer
Flucht auch nur nachdenken konnte.
    Erst einmal draußen, war der
weitere Weg klar. 2412 Westland Avenue. Schwungvollen Schrittes machte er sich
auf den Weg zu Karen Snows Apartment.

Kapitel
Achtundzwanzig
    Das Haus, in dem Karen wohnte,
war genau, wie er es sich aufgrund der Adresse vorgestellt hatte: eines der
mieseren Häuser mit Studentenapartments in der Nähe der Symphony Hall. Ein
schmutziggelbes Ziegelhaus mit sieben zerbröckelnden Betonstufen zu einer
Haustür mit gesprungenen Glasscheiben. Er drückte auf die Klingel unter der
gedruckten Karte: K. SNOW. Der Summer antwortete beinahe sofort.
    Er hatte nicht erwartet, daß
sie ihm die Tür mit einem solchen erwartungsvollen Strahlen aufmachte. Doch als
sie ihn sah, erstarb das Lächeln auf ihrem blassen Gesicht.
    «Wohl nicht mit mir gerechnet,
was?» sagte er bedauernd und schob sich an ihr vorbei.
    «Ich bin nicht...», stammelte
sie. «Sie können nicht...»
    «Reinkommen? Ich bin schon
drin.»
    «Michael.» Sie stützte sich am
Türpfosten ab. «Bitte, gehen Sie.»
    «Nein. Nachdem wir jetzt die
Formalitäten übersprungen haben... Sie warten auf Eddie, stimmt’s?»
    «Gene», korrigierte sie leise.
«Ich habe ihm gesagt, ich wäre allein. Ich habe versprochen, es niemandem zu
sagen...»
    «Nette Wohnung», sagte
Spraggue. Er machte ein paar Schritte den Flur hinunter, ging dann links ins
Wohnzimmer, legte die weiße Schachtel vorsichtig auf den Couchtisch. Ein
Tischbein — drei Zentimeter kürzer als die anderen — stand auf einem
Aschenbecher.
    «Möbliert und billig», sagte
Karen, folgte ihm in den Raum. «Heiße und kalte laufende Schaben. Gehen Sie
jetzt?»
    Er musterte die um die weiße
Schachtel gewickelte Kordel. «Haben Sie ein scharfes Messer?»
    «Nicht scharf genug»,
antwortete sie durch zusammengebissene Zähne.
    «Ich finde das nicht mal
ansatzweise komisch.» Er nahm sein Taschenmesser heraus, klappte eine Klinge
aus. «Haben Sie Eier?»
    «Ja.»
    «Dann werde ich Ihnen ein
Frühstück machen, Rühreier mit Frischkäse und Schnittlauch. Orangensaft.»
    «Falls ich Schnittlauch im
Kühlschrank habe, wächst er aus meinen verschimmelten Orangen.»
    «Dann also ein anderes Mal.
Butter?»
    «Margarine. Vielleicht.»
    Spraggue rümpfte die Nase.
    «Was ist in der Schachtel?»
Karen seufzte und setzte sich auf einen verschossenen Ohrensessel.
    «Sie haben’s aufgegeben, mich
rauszuschmeißen? Was in der Schachtel ist, ist belanglos, nur Leben oder Tod.»
    «Sieht aus wie eine von Lady
Caroline.»
    «Ist es auch.»
    Karen kicherte, hob schnell eine
Hand an den Mund. «Und Sie wollen das entweihen?»
    «Sie klingen erfreut.»
    «Ich kann mich nicht erinnern,
wann ich das letzte Mal gelacht habe. Die Cops haben mich bis fast vier Uhr
festgehalten.»
    «Sie müssen eine der
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