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Blut und Rüben

Blut und Rüben

Titel: Blut und Rüben
Autoren: Uwe Voehl
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explodierte vor meinen Augen wie eine Wolke.
    Die erste Heuschrecke war nur noch zehn Meter entfernt. Aus der Nähe wirkte sie wie eine einzige riesige Killermaschine. Bis jetzt hatte sie in ihrem Leben nur Rüben verdaut. Heute würde sie zum ersten Mal Menschenfleisch zu schmecken bekommen.
    Das Quad hatte erneut gewendet. Ich sah, wie es in Zeitlupe auf mich zukam. Mein Atem ging schwer. Das Blut rauschte in meinen Ohren. Ich hörte das Klopfen meines Herzens. Unter dem schwarzen Helm glaubte ich, das breite Grinsen des Fahrers zu erkennen.
    Ich war zu schwach, um erneut auszuweichen.
    Das Quad war noch zehn Meter von mir entfernt.
    Acht.
    Fünf ...
    Vier ...
    Da schoss ein dunkler Schatten heran. Wie ein riesiger schwarzer Hai attackierte er den Quad-Fahrer von der Seite und schleuderte ihn ein paar Meter hoch in die Luft. Das Kreischen von Metall klang wie der Schrei eines verletzten Titans. Zugleich vernahm ich einen menschlichen Laut. In höchster Todesqual, so als würde jemand bei lebendigem Leib gehäutet.
    Ich sah, dass das Quad auf dem Rücken lag wie ein verendender Käfer. Statt zuckender Beine drehten sich Räder ...
    Ich hatte nicht mehr viel Zeit. Die erste Heuschrecke hatte mich fast erreicht. Der schwarze Hai ruderte zurück. Dann nahm er erneut Anlauf ... Mit voller Wucht raste er quer in die Heuschrecke hinein. Das atonale Kreischen erinnerte an jemanden, der mit den Fingernägeln über eine Tafel kratzt – aber in tausendfacher Verstärkung.
    Ich ging in die Knie, sackte in den lehmigen Boden. Ein Schatten war plötzlich bei mir.
    »Alles in Ordnung?«
    Es war Ollie!
    »Komm, wir müssen hier weg!« Er half mir auf die Beine, während die zweite Heuschrecke jetzt ganz nah heran war.
    Dann ging alles sehr schnell.
    Scheinwerfer blendeten auf. Eine Stimme schrie eine Warnung, wir sollten uns hinlegen. Wir warfen uns auf den Boden. Schüsse knallten. Glas klirrte. Jemand heulte auf. Vor Schmerz oder vor Wut, ich konnte es nicht unterscheiden. Ein Schatten versuchte, an mir vorbeizurennen. Instinktiv griff ich nach seinem Bein.
    Er fiel der Länge nach hin. Er brüllte wie ein waidwundes Tier. Ich spürte etwas Feuchtes, Glitschiges. Er blutete.
    Mit dem anderen Fuß trat er nach meiner Hand. Ich spürte, wie meine Knöchel brachen. Ich ließ ihn los.
    Er wälzte sich herum, schlug nach mir.
    Dann kam mir Ollie zu Hilfe. Er packte den anderen am Bein. Zu zweit schafften wir es irgendwie, den Tobenden festzuhalten.
    Jemand kam von hinten heran. Es war ein Polizist. Er trug eine schusssichere Weste und einen Helm. Mit der Taschenlampe leuchtete er unserem Gegner direkt ins Gesicht.
    Es war Gregor Wattenberg.
    Ollie und ich saßen in Norberts Büro und tranken heißen schwarzen Kaffee. Es war drei Uhr in der Nacht. Wir schwiegen. Jeder war für sich mit seinen Sorgen.
    Ollie hatte mir gebeichtet, dass er von Anfang an vorgehabt hatte, mir zu folgen. Da ich mir seinen Morgan ausgeborgt hatte, war er mir mit meinem Volvo hinterhergefahren. Ich fragte ihn nicht, woher er den Schlüssel hatte. Vielleicht hatte er sogar gesteckt.
    Außerdem hatte Ollie Norbert benachrichtigt.
    Dabei hatte sich Ollie offensichtlich geschickter angestellt als die Polizei. Auf der Gauseköte hatte er in sicherer Entfernung gewartet und war mir erst dann gefolgt, als ich den zweiten GPS-Punkt erhalten hatte.
    Die Polizei war erst später auf der Gauseköte eingetroffen und hatte mich nicht mehr angetroffen. Norbert hatte mir verraten, wie sie meine Spur doch noch wiedergefunden hatten: Dank Handy-Ortung.
    Die beiden Wattenbergs und Armin steckten also unter einer Decke. Sie hatten mich auf das Feld gelockt und mich in die Zange genommen. Gregor auf seinem Quad, während der alte Wattenberg und Armin am Steuer der beiden Erntemaschinen saßen.
    »Du hast es selbst provoziert«, hatte Norbert erklärt. »Während des Menüs hast du ihnen zu verstehen gegeben, dass du alles weißt.«
    »Ja, aber ich habe nicht geahnt, dass sie alle drei Dreck am Stecken haben.«
    »Gleichzeitig wurde ihnen klar, dass sie keine Aussicht auf zwei Millionen mehr hatten. Höchstens noch auf eine; die drei Grundstücke sind eher weniger wert.«
    Ich hatte den Kopf geschüttelt. »Trotzdem verstehe ich nicht, wieso sie glaubten, sie könnten mit der Erpressung durchkommen.«
    Auch das hatte mir Norbert erklärt: »Die beiden Wattenbergs sind hoch verschuldet. Bei denen hat das Denken nicht mehr richtig funktioniert. Und dein Vetter Armin hatte sie an
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