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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer
Autoren: C Wilken
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machte eine ungeduldige Handbewegung. »Humbug! ›De Lapidibus‹ ist ein seriöses Werk über die Beschaffenheit der Steine! Himmel, Bischof Marbod war ein guter Christ und hat seine Beobachtungen vor sechshundert Jahren niedergelegt! Die Nonne Hildegard von Bingen hat ebenfalls über den Saphir geschrieben. Allerdings hat sie sogar behauptet, dass der Saphir Blinde und Taube heilen kann. Ha, und ein vergichtigter Mensch solle den Stein nur im Munde einspeicheln, und die vermaledeite Krankheit weiche von ihm!«
    »Das mag ja alles sein.« Sie fuhr mit einem Finger die Unebenheiten der Holzplatte entlang. »Aber wisst Ihr, was ich von Vroni gehört habe? Sie hat Eugenia und den Jesuiten belauscht, der dauernd hier herumschleicht. Herzog Maximilian hat ein Kästchen, in dem er Bußwerkzeuge aufbewahrt! Und sie sollen blutbefleckt sein! Der Herzog geißelt sich wie ein Büßer.«
    »Maximilian ist bei Jesuiten aufgewachsen, hat an deren Kolleg studiert, was war da anderes zu erwarten?«, meinte Remigius unbeeindruckt.
    »Ja, aber das zeigt doch, wie ernsthaft er die Frömmigkeit betreibt! Jeden Monat werden neue Mandate erlassen gegen Aberglauben, gegen Hexerei, Buhlerei, Unzucht, Fluchen, gegen kleinste moralische Verfehlungen …«
    »Durch Gesetze regiert ein Landesherr, und genauso werden auch Münzwesen, Steuern, Tagwerkordnungen und Wilderei geregelt.« Er kratzte sich unter der Filzkappe und ging zum Fenster.
    »Ihr haltet mich für eine dumme Gans, nicht wahr?«
    »Was wollt Ihr? Kommt nach Jahren hierher und glaubt, mir Vorhaltungen machen zu müssen? Ich habe Euch zum letzten Mal gesehen, da trugt Ihr noch Zöpfe und eine Puppe im Arm!«, erwiderte Remigius, doch seine Stimme war weniger scharf als seine Worte. Er zog einen zerknitterten Umschlag aus seinem Gürtel und warf ihn auf den Tisch. Es war der Brief aus Prag.
    Seit jenem Morgen, an dem Marie den Brief vor ihrer neugierigen Schwägerin gerettet hatte, rätselte sie, was darin stehen mochte. Remigius hatte ihn nicht in ihrem Beisein gelesen und sich danach mehrere Tage in seinem Turm eingeschlossen.
    »Lest ihn. Ihr brennt doch vor Neugierde!«
    »Komm, Aras!«, sagte Marie wütend. »Wir lassen uns nicht von einem launischen alten Mann herumstoßen.«
    »Weiber!« Remigius raufte sich die Haare. »Bitte, ich möchte, dass Ihr den Brief lest, weil Ihr der einzige Mensch in diesem verfluchten Gemäuer seid, dem ich vertraue.« Er holte tief Luft. »Eugenia ist so doppelherzig wie ihre Kammerfrau.«
    Marie hob die Brauen. »Ursel? Sie bringt Euch das Essen!«
    Matt erwiderte Remigius: »Seit fünf Jahren wartet sie mir auf. Wenn ich es ihr verbiete, erzählt sie womöglich, dass ich hier oben Blei in Gold verwandle, und dann kommt Albrecht und sperrt mich für den Rest meiner Tage ein, damit ich ihn reich mache!«
    Vom Hof schallten Stimmen und das Geklapper von Pferdehufen herauf. Hunde bellten aufgeregt, und Marie ging zum Fenster. »Wenn man vom Teufel spricht … Albrecht ist mit seinen Freunden von der Jagd zurück. Dann wird wieder bis spät in die Nacht gefeiert.«
    Leichtfüßig hüpfte sie die Stufe vor der Fensternische hinunter und griff nach dem Brief. Im aufgebrochenen Siegel waren Fragmente eines Auges zu erkennen und etwas, das aussah wie eine Sonne. »Was bedeutet das? Ist das tatsächlich eine Sonne?«
    »Lest zuerst.«
    Die Schrift war schön, doch die Rechtschreibung auf eine Art fehlerhaft, die nahelegte, dass der Verfasser des Briefes aus dem Böhmischen oder gar den italischen Ländern stammte. »Werter Signore von Kraiberg«, las Marie laut. » Îmi pare rãu, ma , von Herzen hoffe ich, dass Ihr wohlauf seien möget und diese Nachricht Euch erreicht. Es ist ein Unglück orrìbile geschehen. Der verehrteste scienziato Bernardus Sallovinus ist morto . Die cose , welche Ihr ihm gesandt, wurden entwendet, welcherart ich annehme, dass ein kausaler Zusammenhang besteht zwischen dem assassinio und der Entwendung. Ein ergebener Freund.«
    Sie wendete den Brief hin und her, doch mehr war dem Blatt nicht zu entlocken. »Was bedeutet das? Kanntet Ihr diesen Sallovinus?«
    Remigius rieb sich die Augen und räusperte sich einige Male. »Bernardus Sallovinus ist, nein, war«, verbesserte er sich, »einer meiner ältesten Freunde. Wir haben zusammen an der Universität von Prag studiert und sind durch Böhmen und Italien gereist. Ich habe mich ganz dem Erlernen der Steinschneidekunst gewidmet, nachdem ich zur Einsicht gelangt war, dass in
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