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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer
Autoren: C Wilken
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meinen Händen mehr Talent steckt als in meinem Kopf. Aber Bernardus war ein großer Denker, der Wissen aufsog wie ein Schwamm. Bei allen Heiligen, ermordet soll er sein! Ich kann es nicht glauben! Und ich weiß nicht, wer der Unterzeichner ist!« Verzweifelt rang der alte Mann die Hände. »Das Furchtbarste ist, dass ich mir die Schuld an seinem Tod geben muss, wenn die cose , die Sachen, die ich ihm geschickt habe, tatsächlich der Grund für dieses Unrecht sind.«
    »Sachen? Ist das Italienisch? Dieses îmi pare verstehe ich nicht, klingt mir sehr fremd«, sagte Marie und streichelte Aras, der ihr den Kopf auf den Schoß gelegt hatte.
    »Brocken von Italienisch und südböhmischem Dialekt, wenn ich es richtig deute. Vor einigen Monaten habe ich Bernardus einige Kupferstiche zur Ansicht geschickt, auf die ich während meiner letzten Reise in Augsburg gestoßen war. Ich wollte unbedingt seine Meinung dazu hören. Und nun sind diese Stiche verschwunden, und mein alter Freund ist tot!« Remigius starrte sie an, und alle Selbstsicherheit war aus seinem blassen Gesicht verschwunden.
    »Wovor fürchtet Ihr Euch, Oheim?«
    Die kleine Flamme unter dem Destillierkolben zischelte, und von draußen drang gedämpft der alltägliche Lärm herauf, doch selbst Remigius’ Papagei war still, äugte nur neugierig von einem zum anderen, und der Brief aus Prag lag wie eine Bedrohung auf dem Tisch.
    Remigius schlurfte zur Tür. »Kommt mit.«
    Sie folgte ihm die Treppen hinunter in den ersten Raum, der die Kuriositätensammlung des alten Kraiberg beherbergte. Der Bezoar stand noch in seiner silbernen Fassung auf dem Tisch. Inzwischen hatte sich Marie auch die Gläser mit den eingelegten Extremitäten und Organen exotischer Tiere angesehen, die unter Tüchern versteckt in den Regalen standen. Remigius hatte ihr deren Bedeutung zum Verfassen anatomischer Zeichnungen erklärt, so dass sie ihre anfängliche Scheu überwand. Die Regale ließ Remigius jedoch unbeachtet, sondern ging zu einer Tafel, die in Tücher und Decken verschnürt neben den Schrank geschoben worden war.
    Ächzend bückte er sich und kippte die schwere, rechteckige Tafel seitlich vor. Marie eilte herbei und half ihm, sie gegen den Schrank zu lehnen. Gemeinsam lösten sie die Schnüre und befreiten die Tafel von ihren schützenden Hüllen. Als Remigius fast liebevoll das letzte Leinentuch fortzog, hielt Marie den Atem an.
    »Wie wunderschön!«, seufzte sie und betrachtete ehrfürchtig die leuchtenden Farben der Pietra-Dura-Tafel, in deren Mitte ein ovales Bild eingelassen war, das sie für ein Ölgemälde hielt. Die Tafel maß fünf Ellen in der Höhe und drei in der Breite, und an den Ecken waren schadhafte Stellen zu sehen. Es handelte sich zweifelsohne um ein seltenes Kunstwerk, und das nicht allein der Edelsteine der Pietra-Dura-Arbeit wegen. Der äußere Rand der Tafel bestand aus dekorativen Blumen und Vögeln, verbunden durch Blattwerk und eingelegt in tiefblauen Lapislazuli-Grund. Die filigrane Schönheit der perfekt geschnittenen und geschliffenen Edelsteine war einzigartig, und doch fesselte Maries Aufmerksamkeit in erster Linie das ovale Bild, es war befremdlich und gleichzeitig von betörender Schönheit.
    »Woraus ist es gemacht, und was bedeutet es?« Neugierig strich sie über die leicht unebene Oberfläche und drehte sich erwartungsvoll zu ihrem Onkel um. Erschrocken über den finsteren Gesichtsausdruck, mit dem er sie beobachtete, fuhr sie zurück und sah sich instinktiv nach Aras um, der in der Tür stand und in das Treppenhaus hineinknurrte.
    »Was hat er?«, raunzte Remigius.
    Kurz bevor unten fordernd an die Tür geschlagen wurde, stürzte Aras die Treppe hinunter und bellte lautstark. Marie sah, wie Remigius die Tafel verhüllte, raffte ihre Röcke und lief ebenfalls hinunter. Sie wurde einfach nicht schlau aus ihrem Oheim. Er war unberechenbar, und gerade eben hatte sie sich richtiggehend vor ihm gefürchtet, seine Miene war feindselig, fast bedrohlich gewesen.
    »Marie! Ruft den Köter zurück und kommt her! Ich muss mit Euch sprechen!«, rief Albrecht ungeduldig.
    Ausnahmsweise war sie froh, die Stimme ihres Bruders zu hören, und machte sich an den Riegeln der massiven Tür zu schaffen, die dem Ansturm eines Regiments gewachsen war. Sie hatte nicht gehört, dass Remigius ihr gefolgt war, und so zuckte sie zusammen, als sie seine knochige Hand unvermittelt von hinten am Arm packte. »Kein Wort von der Tafel! Zu niemandem, hört Ihr? Zu
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