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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer
Autoren: C Wilken
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wenn man den Stein zu Pulver macht, könnte man daraus ein Mittel gegen verschiedene Gifte und Krankheiten bereiten.«
    »Ja, das ist richtig. Leonhart war ja nicht dumm.«
    »Was ist geschehen, dass Ihr und Vater Euch entzweit habt?«, fragte Marie vorsichtig.
    »Wer sagt denn so etwas?«, knurrte Remigius.
    »Nach Mutters Tod und zu seinen Lebzeiten seid Ihr nicht nach Kraiberg gekommen. Was soll man anderes daraus schließen, als dass es einen Zwist gegeben hat?«
    »Tja, was soll man daraus schließen?«, äffte er sie nach. »Wenn man nichts weiß, soll man gar nichts schlussfolgern, weil nur dummes Zeug dabei herauskommt!«
    Eingeschüchtert betrachtete sie den Bezoar und sah sich mit großen Augen neben ihren Brüdern Albrecht und dem kleinen Georg stehen, wie sie gebannt dem Vater lauschten, der ihnen die abenteuerlichsten Geschichten über die Wunderkräfte des Gebildes erzählte. Sie hob den Kopf, genau wie Aras, denn im Stockwerk über ihnen war etwas zu Boden gefallen, und jemand lachte. »Wer ist das?«
    »Niemand.«
    »Aber jemand hat gelacht!«, beharrte Marie.
    »Lasst den Hund hier unten«, befahl Remigius und ging zur Treppe.
    »Bleib«, sagte Marie zu Aras und folgte ihrem Oheim, dem Geheimnisse offenbar ein großes Vergnügen bereiteten, hinauf in den zweiten Stock. Der Geruch von Schwefel verstärkte sich, und als sie um die Ecke kam, bot sich ihr ein Bild scheinbarer Verwüstung, doch bei näherem Hinsehen erkannte sie einen Destillationsapparat, einen kleinen Ofen, Tiegel, Töpfe, Flaschen und Regale, die mit Instrumenten, Messern, Eisen- und Kupferstangen und Drähten vollgestopft waren. Auf Kisten, Truhen und Tischen standen leere Tierkäfige, überall lagen Bücher und Dokumente, beschriebene Papierfetzen, und inmitten der wissenschaftlichen Unordnung saß auf einem Holzgerüst ein grüngelber Papagei.
    »Bella, das ist Marie«, sagte Remigius und kraulte den schönen Vogel am Kopf.
    »Gott zum Gruße!«, sagte der Papagei höflich, beäugte sie und stimmte das Lachen an, das sie bereits vernommen hatte.
    Marie war einen Moment lang sprachlos, musste dann aber herzlich lachen, und während sie eine Nuss vom Tisch nahm und dem Vogel hinhielt, wurde ihr bewusst, dass sie sich schon lange nicht mehr so unbeschwert gefühlt hatte. »Ich habe schon einmal einen solchen Vogel gesehen bei einem Gaukler auf dem Markt.« Sie deutete auf die alchemistischen Gefäße und Apparaturen. »Und das hier?«
    »Ich habe Euch mit heraufgenommen, weil ich Euch seit Eurer Ankunft auf Kraiberg beobachtet habe.«
    »Da bin ich aber neugierig, wo ich Euch höchstens zwei Mal gesehen habe …« Sie zog den Finger weg, bevor Bella zubeißen konnte.
    »Nun, Ihr seid aufgeweckt, habt eine schnelle Auffassungsgabe, hängt nicht an den Rockzipfeln der Jesuiten und scheint mir einen klaren, unbestechlichen Verstand zu haben. Zumindest hoffe ich das«, fügte er mit einem kleinen Lächeln hinzu.
    »Das ist wirklich ungeheuer …«
    »Ungeheuer schlau von mir? Ja, da stimme ich Euch zu, und deshalb weiß ich, dass Ihr niemandem von meinem Zeitvertreib berichten werdet. Seid Ihr nicht neugierig? Wollt Ihr nicht wissen, was eine Putrefaktion oder eine Fermentation ist? Was sind Edelsteine? Woraus sind sie entstanden?« Er nahm ein ungeschliffenes Stück Lapislazuli in die Hand. »Wunderschön, aber wie hat die Erde es hervorgebracht?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ihr enttäuscht mich. Als Nächstes erzählt Ihr mir, dass Ihr bald Gold herstellen könnt.«
    »Ihr habt nicht zugehört. Ich stelle Fragen. Ich nenne mich einen Suchenden, und jeder neugierige Geist ist wie ich.« Bedächtig legte er den blauen Edelstein auf den Tisch. »Oder interessiert Euch nur der schöne Schein? Seht Ihr nicht mehr, als wie sich dieser Stein in einem Mosaik machen könnte?«
    »Nuss!«, kreischte Bella, hüpfte hin und her und flatterte mit den beschnittenen Flügeln. »Nuss!«
    Seufzend nahm Marie eine weitere Nuss aus der Holzschale und gab sie dem Papagei. Dabei fiel ihr Blick durch einen der Fensterschlitze. »Er reitet wieder fort, und Albrecht ist noch immer nicht zurück.«
    »Fort? Wer? Etwa ein Bote?« Remigius stieß sie unsanft zur Seite, um sich in die Fensternische zu zwängen. Dann rannte er die Treppen hinunter.
    Marie folgte ihm mit Aras. Der Alte wirkte aufgeregt und war außer Atem. Hustend mühte er sich mit den Türschlössern ab.
    »Lasst mich Euch helfen, Oheim. Wenn es eine Sendung für Euch war, werde ich sie
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