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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer
Autoren: C Wilken
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heraufbringen.«
    Remigius hustete, und dabei rasselte es schwer in seinen Lungen. Unfähig zu antworten, nickte er und winkte sie fort.
    Als Marie kurz darauf über die steinernen Stufen des seitlichen Treppenaufgangs zur Eingangshalle hinunterging, sah sie Eugenia allein neben einer marmornen Büstensäule stehen. Während Marie noch überlegte, welche Büste fehlte, entdeckte sie den großen, versiegelten Umschlag in Eugenias Händen. Neugierig wendete Eugenia ihn hin und her und machte schließlich Anstalten, das Siegel zu erbrechen.
    »Der Oheim schickt mich nachzusehen, ob etwas für ihn abgegeben wurde, aber anscheinend war der Brief für Euch?«
    Marie hob die Stimme am Ende des Satzes nur leicht und sah, wie Eugenia ertappt zusammenzuckte, doch es war zu spät, den Brief noch zu verstecken. Eugenia streckte ihr den bräunlichen Umschlag mit versteinerter Miene entgegen. »Was habt Ihr plötzlich mit dem alten Wunderling zu schaffen?«
    Bevor Marie den Brief ergreifen konnte, zog Eugenia ihn wieder zurück, was Aras, der alles genau beobachtete, zu einem warnenden Knurren veranlasste. »Aus Prag«, sagte Eugenia und konnte die Augen nicht von dem Siegel und der ebenmäßigen Handschrift auf dem Umschlag nehmen.
    »Warum gebt Ihr mir den Brief nicht einfach, damit Remigius feststellen kann, wer ihm etwas mitzuteilen hat«, sagte Marie mit einem höflichen Lächeln.
    Abrupt ließ Eugenia den Brief auf die Säule fallen und sagte im Weggehen: »Der Alte ist nur eine Last und bringt uns noch in Misskredit bei Seiner Herzoglichen Hoheit. Niemand weiß, was er dort oben treibt! Mein Albrecht ist ein viel zu gutmütiger Mensch!«
    Rasch nahm Marie den Brief an sich und steckte ihn in ihren Gürtelbeutel. Albrecht ein gutmütiger Mensch! Wenn ihr Bruder Remigius hier im Turm wohnen ließ, konnte das nur bedeuten, dass ihr Oheim Wohnrecht besaß. Und dieses Recht war mit Sicherheit notariell verbrieft. Je länger Marie auf ihrem Rückweg in den Turm darüber nachdachte, desto überzeugter war sie, dass Albrecht von Remigius’ Aufenthalt hier finanziell profitierte.

III
    • •
    Ein unerwarteter Gast

    Der Samische Stein, welcher auf derselben Insel vorkommt, deren Erde ich lobend erwähnt habe, dient zum Poliren des Goldes, wird aber auch in der Medicin gebraucht, nämlich mit Milch gegen Augengeschwüre … gegen anhaltendes Triefen der Augen, innerlich gegen Magenbeschwerden, Schwindel, zerrütteten Verstand.
    Caius Plinius Secundus, »Naturgeschichte«,
    XXXVII. Buch, »Von den Edelsteinen«

    A us dem Destillierkolben tropfte es langsam in ein Glas. Marie schnüffelte und lächelte zufrieden. Remigius stellte hervorragendes Kirschwasser her. Man durfte nicht mehr als ein kleines Glas genießen, aber das vertrieb die Kälte aus müden Gliedern und machte trockene Kuchen genießbar. Aras lag zusammengerollt auf einem Schaffell vor dem gemütlich knisternden Ofen.
    Neben den Apparaturen, Fläschchen und Schalen lagen Papiere und aufgeschlagene Bücher über den Tisch verstreut. Darunter waren Andreas Libavius’ »Alchymia«, eine Schrift des Epiphanias von Eleutheropolis, und ein Lapidarium, ein Steinbuch, des Bischofs Marbod von Rennes.
    Marie betrachtete die Abbildungen der verschiedenen Edelsteine. Seit sie einen Großteil ihrer Zeit hier oben im Turm ihres Onkels verbrachte, war ihr klar, wie wenig sie letztlich wusste. Immerhin war sie des Lateinischen mächtig, was ihr beim Erfassen der wissenschaftlichen Texte half, doch von den Zusammenhängen hatte sie im günstigsten Falle nur eine dunkle Ahnung.
    Remigius war in einer seltsamen Stimmung. Einerseits wirkte er aufgeräumt, was sie auf den gelungenen Destillationsprozess zurückführte. Andererseits schien er abwesend und in sich gekehrt. Der Winter hatte das Land noch immer in seinen frostigen Klauen, doch kündigte sich Tauwetter an, und der Alte schien weniger gichtgeplagt. Er tippte auf die Zeichnung eines Saphirs. »Der Saphir ist seinem Wesen nach kalt. Verarbeitet man ihn zu Arznei, hilft er gegen Fieber und hitzige Krankheiten. Am Hals getragen wirkt er gegen Neid und Angst.«
    Marie legte den Kopf schief und spielte mit einer losen Haarsträhne. Ihr einfaches Hauskleid wies Flecken und Risse auf, doch in Remigius’ Laboratorium kam es dauernd zu kleineren Unfällen mit Tinkturen oder Säuren, und zwei ruinierte Kleider waren genug. »Ein Amulett gegen Neid und Angst. Das klingt nach Hexerei. Vielleicht verbrennen wir das Buch lieber?«
    Remigius
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