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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer
Autoren: C Wilken
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niemandem!«, zischte Remigius ihr ins Ohr und ließ sie abrupt los. Oben kreischte aufgeregt der Papagei.
    »Schon gut. Was habt Ihr denn nur? Ich dachte, Ihr vertraut mir? Ich bin keine geschwätzige Gans. Von mir aus versauert doch in Eurem Turm!«, erwiderte Marie verärgert.
    Im Halbdunkel des engen Vorraums war sein Gesicht kaum zu erkennen, doch sie spürte eine Veränderung in der angespannten Haltung ihres Oheims. Flehentlich streckte er nun die Hände aus und sagte: »Bitte, verzeiht einem alten Mann seine Launen. Kommt wieder, das tut Ihr doch? Bitte, versprecht mir, dass Ihr wiederkommt!«
    Aras kratzte an der Tür, und Marie legte den letzten Riegel nach hinten. »Gehabt Euch wohl.« Dann zog sie die knarrende Tür auf und blinzelte ihrem Bruder entgegen.
    Albrecht überragte sie um mindestens einen Kopf. Auf den halblangen hellbraunen Haaren war der Abdruck der Mütze zu sehen, die er in seinen Gürtel gesteckt hatte. Jedes Mal, wenn sie ihn nach einiger Zeit wiedersah, versetzte es ihr einen traurigen Stich, denn Albrecht war das jugendliche Abbild seines verstorbenen Vaters. Die lange, gerade Nase, das eckige Kinn, ausgeprägte Wangenknochen, ein schmallippiger Mund, der von einem kurzen Bart gerahmt wurde, und die aufgrund einer Sehschwäche stets zwinkernden braunen Augen ergaben das Bild eines gutaussehenden Mannes. Er roch nach Leder, Schweiß und Blut, das an seinen Stiefeln klebte. »Meine reizende Schwester! Seht Euch an! In Lumpen lauft Ihr herum, als wäret Ihr eine Magd und nicht die Witwe eines ehrbaren Edelmanns!«
    »War die Jagd erfolgreich?«, sagte sie mit einem Blick auf die blutigen Stiefel und schüttelte ihren Rock. Die Flecken blieben, und sie war sich auch ihres ungeordneten Haares nur allzu bewusst.
    »Sehr! Wir haben das Wildschwein und die Hasen bereits in die Küche gegeben. Heute Abend gibt es ein Mahl, das dem festlichen Anlass angemessen ist. Ihr solltet Euch jetzt umziehen, damit Ihr unseren Ehrengast begrüßen könnt.« Albrecht lächelte selbstzufrieden.
    Sie kannte dieses Lächeln aus Kindertagen, und es besagte, dass Albrecht etwas ausgeheckt hatte. »Was feiern wir denn?«, fragte sie vorsichtig.
    »Eure Verlobung, meine allerliebste Marie-Therese. Eure Verlobung!« Er strahlte und stemmte stolz die Hände in die Hüften.
    Vor Schreck taumelte sie nach hinten und suchte Halt an der kalten Mauer. »Was fällt Euch ein? Wie konntet Ihr, ohne mich zu fragen …? Wer …«, stammelte sie.
    »Doktor Magnus Kranz, ein vielversprechender Vertreter der Jurisprudenz, Sekretär von Hofrat Diebel. Nach einem mittellosen Adligen ist ein bürgerlicher Beamter mit Aussicht auf einen Hofratstitel doch eine Verbesserung. Findet Ihr nicht?«
    Nachdem sie den ersten Schreck überwunden hatte, stellte sie sich ihrem Bruder entgegen. »Mein Trauerjahr ist noch nicht vorüber, und ich werde keiner Ehe zustimmen! Niemals! Eher gehe ich in ein Kloster! Was seid Ihr für ein herzloser Mensch!«
    Albrecht scharrte mit einem Stiefel auf dem Boden. »Nun, ich dachte, vielleicht seid Ihr einer neuen Vermählung nicht abgeneigt, jetzt, wo Ihr mit eigenen Augen gesehen habt, wie es um das Gut steht.« Er deutete auf die rissigen Mauern und die mit Ölpapier geflickten Fenster.
    »Wenn Ihr Eure Zeit nicht mit Würfelspiel und Weibern vertun, sondern Euch um das Gut kümmern würdet, stände es sicher besser darum! Himmel, wie konnte es nur so weit kommen? Vater hatte …«
    »Unser Vater hat uns ruiniert, liebe Schwester, ich versuche zu retten, was zu retten ist«, sagte Albrecht scharf und warf einen wütenden Blick zu Remigius’ Tür. »Und unser Oheim hat seinen Anteil daran! Nicht wahr, Remigius?«, brüllte er. »Die Schätze, die Ihr dort oben hortet, könnten uns retten!«
    »Seid doch still, Albrecht! Und was soll das überhaupt heißen? So schlimm steht es um das Gut?«
    »Das wusstet Ihr nicht? Nein, natürlich nicht. Ihr habt es Euch gut gehen lassen auf Langenau, während wir hier ein Stück Land nach dem anderen verkaufen mussten.«
    »Gut gehen lassen? Hört doch auf! Außerdem weiß ich genau, dass Vater stets zufrieden mit den Erträgen war. Damals sahen das Haus und die Stallungen viel besser aus! Ihr habt alles heruntergewirtschaftet. Das ist die Wahrheit!« Schon früher hatte Albrecht immer einen Weg gefunden, die Schuld anderen in die Schuhe zu schieben. Wenn sie sich vor ihrem Vater hatten verantworten müssen, waren sie und der kleine Georg stets härter bestraft
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