Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blut der Wölfin

Blut der Wölfin

Titel: Blut der Wölfin
Autoren: Kelley Armstrong
Vom Netzwerk:
wurden. Ich war im vergangenen Jahr fünfunddreißig geworden, etwa um die Zeit, zu der ich schließlich entschieden hatte, dass er recht hatte und dass ich – wir – so weit waren, ein Kind zu haben. Ich bin mir sicher, dass diese beiden Umstände miteinander zusammenhängen.
    Mein Magen knurrte.
    Clays Hand strich über meinen Bauch, und er lächelte, die Augen noch geschlossen. »Schon wieder Hunger?«
    »Ich esse für zwei.«
    Er lachte leise, als mein Magen sich wieder meldete. »Das kommt davon, wenn du mich jagst, statt hinter etwas Essbarem her zu sein.«
    »Nächstes Mal denke ich dran.«
    Er öffnete ein Auge. »Wenn ich’s mir recht überlege, vergiss es. Jag mich, und hinterher füttere ich dich. Alles, was du willst.«
    »Eis.«
    Er lachte. »Haben wir welches?«
    Ich rutschte von ihm herunter. »Das Creamery hat letzte Woche wieder aufgemacht. Zwei Banana Split zum Preis von einem, den ganzen Monat über.«
    »Eins für dich und eins für –«
    Ich schnaubte.
    Er grinste. »In Ordnung, also zwei für dich und zwei für mich.«
    Er kam auf die Füße und sah sich um.
    »Kleider im Südwesten«, sagte ich. »In der Nähe vom Teich.«
    »Bist du sicher?«
    »Ich hoff’s zumindest.«
     
    Ich trat aus dem Wald direkt in den hinteren Garten. Wolken zogen rasch am Himmel vorbei, und die Sonne warf ihre Strahlen über das Haus. Die frisch gestrichenen Holzelemente glänzten dunkelgrün; die Farbe passte zu den Efeuranken, die sich an die Mauern klammerten.
    Der Garten nahm langsam das gleiche Grün an – immergrüne Pflanzen und Sträucher und dazwischen hier und da ein Büschel Tulpen, das Ergebnis eines herbstlichen Anfalls von Gärtnerleidenschaft ein paar Jahre zuvor. Die Tulpen endeten an der niedrigen Mauer zur Terrasse; weiter war ich damals nicht gekommen, bevor mich irgendwas abgelenkt hatte und ich die Tüte mit den restlichen Zwiebeln im Regen verrotten ließ. Das entsprach unserer üblichen Haltung zur Gartenpflege. Gelegentlich kauften wir ein paar Pflanzen, und manchmal setzten wir sie sogar ein, aber in der Regel waren wir es vollkommen zufrieden, einfach dazusitzen und abzuwarten, was von alleine wuchs.
    Die Zwanglosigkeit passte zu dem Haus und dem etwas verwilderten Garten, der in die Wiesen und den Wald dahinter überging. Ein wilder Zufluchtsort, dessen Luft nach dem offenen Feuer von gestern Abend, nach jungem Gras und fernem Mist roch und dessen Stille nur vom Zwitschern der Vögel, dem Zirpen der Grillen und dem Krachen von Pistolenschüssen unterbrochen wurde.
    Beim nächsten Schuss legte ich die Hände über die Ohren und verzog das Gesicht. Clay teilte mir mit einer Handbewegung mit, wir sollten einen Bogen am Waldrand entlang schlagen und uns von der anderen Seite her nähern. Als wir es bis zur Höhe des Schuppens geschafft hatten, konnte ich eine Gestalt auf der Terrasse erkennen. Groß, hager und dunkel, das Haar, das sich über dem Kragen lockte, ebenso achtlos geschnitten wie der Rasen. Er wandte uns den Rücken zu und hob die Pistole über die niedrige Begrenzungsmauer hinweg, zur Zielscheibe hinüber. Clay grinste, gab mir seine Schuhe und setzte sich dann in einen lautlosen Trab, zur anderen Seite der Terrasse hin.
    Ich ging weiter, etwas langsamer als zuvor. Als ich mich der Mauer näherte, war er bereits mit einem Satz drübergesprungen. Er fing meinen Blick auf und legte einen Finger auf die Lippen. Als ob ich die Warnung gebraucht hätte. Er schlich sich weiter, hinter den Schützen, hielt inne, um sicherzustellen, dass er kein Geräusch gemacht hatte, ging in die Hocke und sprang.
    Jeremy machte einen Schritt zur Seite, ohne sich auch nur umzusehen. Clay prallte gegen die Mauer und quiekte.
    Jeremy schüttelte den Kopf. »Geschieht dir recht. Du hast noch Glück, dass ich dich nicht erschossen habe.«
    Clay rappelte sich auf und grinste, während er sich den Staub von den Kleidern klopfte. »Gefährlich leben, das ist mein Motto.«
    »Das wird auch dein Grabspruch sein.«
    Jeremy Danvers, unser Rudelalpha und der Besitzer von Stonehaven, wo er, Clay und ich lebten und wo wir zweifellos den Rest unseres Lebens verbringen würden. Das lag zum Teil daran, dass Clay Jeremys Leibwächter war und in seiner Nähe bleiben musste, vor allem aber daran, dass Clay nie auch nur erwogen hätte fortzugehen.
    Clay war nicht älter als fünf oder sechs gewesen, als er gebissen wurde. In einem Alter, in dem andere Kinder in die Vorschule gingen, hatte er als Werwolf in den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher