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Bluescreen

Bluescreen

Titel: Bluescreen
Autoren: Kevin Mark; Vennemann Greif
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Besonders irritierend war die permanente Erwähnung von Luxusartikeln, die von weißen Firmen vertrieben wurden, Logos und Marken, die wiederum auf kuriose Weise mit einem neuartigen, undurchschaubaren Sexismus kombiniert wurde (die Texte vermittelten den Eindruck, man könne auch Frauen kaufen) – »Life ain’t nothin’ but bitches and money«. Bei N.W.A. war die Geschichte mit dem Geld noch skandalös, in » C.R.E.A.M « vom Wu-Tang Clan war sie finster und ironisch (»Cash Rules Everything Around Me«/[ C.R.E.A.M. ]/»Get the money, dollar dollar bill, y’all«), irgendwann wurde es tragikomisch, und am Ende war es dann nur noch komisch. Seinen narrativen Höhepunkt erreicht der Geld-Fetischismus in den komplexen Erzählungen von Notorious B.I.G. (»Gimme the Loot« [1994], »I Love the Dough« [1996]), in einigen Songs, die Jay-Z mit Jermaine Dupri aufnahm, etwa in »Money Ain’t A Thang« (1998), bekam er eine ins Absurde gehende triumphierende Note (»In a Ferrari, a Jaguar, switchin’ four lines / with the top down, screamin’out, money ain’t a thang!«); wo es darum ging, Markennamen mit großem rhythmischen Geschick in Texte einzubauen, schoss Busta Rhymes einige Jahre später den Vogel ab, als es ihm 2001 gelang, einen dreisilbigen Cognac – Courvoisier – in einem Refrain unterzubringen: »Give me the Henny, you can give me the Cris’ / You can pass me the Remy, but pass the Courvoisier!«
    Sollten Weiße aus der Mittelklasse in dieser Situation schwarze Entertainer darüber belehren, dass man sich das Glück mit Weinbränden und anderen Konsumgütern nicht kaufen kann? Um Gottes willen, auf keinen Fall. Dennoch führte der Konsumismus endgültig zu einem Bruch zwischen den potenziell gleich gesinnten Kulturen der politisierten Postpunks und der Hip-Hopper. Wenn schwarze Künstler aus Gegenden, deren Bewohner (als Arbeiter und Angestellte, nicht als kleine Selbständige) zum letzten Mal stabile ökonomische Verhältnisse erlebt hatten, als sie noch an die breiteren Kapitalströme der Industriegesellschaft angeschlossen waren, überhaupt eine Stimme in der Öffentlichkeit haben wollten, dann blieb ihnen gar nichts anderes übrig, als es im Spiel des offiziellen Kapitalismus und somit innerhalb der gigantischen Konzerne ganz nach oben zu schaffen. Sie kamen schließlich nicht aus der Klasse der kleinbürgerlichen Stabilität und des unternehmerischen Fleißes. Sie konnten sich im Notfall nicht auf ein kleines weißes Mittelklasse-Vermögen verlassen, das über die Generationen hinweg angespart worden war. Afroamerikaner hatten schlichtweg überhaupt keinen Grund, an eine breite, von der Mittelklasse getragene Reformbewegung zu glauben, die für die Wiederherstellung von Freiheit und Gleichheit sowie neue Arbeitsplätze kämpfte. Sie wurden Zeuge einer qualvollen Entwicklung, im Zuge derer die sozialen Aufstiegschancen noch einmal ganz neu verteilt wurden: Auf der einen Seite stand nun eine kleine schwarze Mittel- bzw. bürgerliche Klasse, die von der Affirmative Action profitierte und die alte Arbeiterklasse hinter sich ließ; auf der anderen Seite gab es die wachsende Klasse verarmter Schwarzer, die der Gewalt (der Polizei oder der Drogendealer) überlassen wurden und als Drehtürenhäftlinge immer wieder im Gefängnis landeten.
    Ich kenne, im Hip-Hop selbst, keine bessere Zusammenfassung jener paradoxen Geschichte, welche dieser Musik zu einer solchen Intensität, handwerklichen Brillanz und Popularität verhalf, als die, die Kanye West erst relativ spät (2005) in seinem Song »Crack Music« präsentierte. West gehört der Post-Crack-Generation an und ist einer der Künstler, die erst nach dem Triumph der Gangster die Bühne betraten, mit deren Metaphern aber noch nicht endgültig gebrochen haben (zu dieser Gruppe zählen auch das großartige Duo Outkast sowie Lil Wayne, der einzige Rapper dieser Periode, der in puncto Bekanntheit und musikalisches Genie mit Kanye mithalten kann). Den Rahmen bilden Anspielungen auf amerikanische Präsidenten, die sich gegen ihr eigenes Volk verschworen und es immer wieder belogen hätten (erwähnt werden etwa die repressiven Mittel, denen Reagan seinen Aufstieg als Gouverneur von Kalifornien verdankte – »How we stopped the Black Panthers? / Ronald Reagan cooked up an answer« –, oder die Tatsache, dass Reagan und Bush Saddam Hussein erst mit Waffen unterstützten, bevor sie Krieg gegen ihn führten (»Who gave Saddam anthrax? / George Bush got the
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