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Blitz in Gefahr

Blitz in Gefahr

Titel: Blitz in Gefahr
Autoren: Walter Farley
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befreit war! Jeder Mensch braucht einmal, und wenn es nur für kurze Zeit ist, das Gefühl, sich in völliger Freiheit und nach eigenem Gefallen bewegen zu können, um so mehr Freude macht dann nachher wieder der Beruf. Sosehr Alec in seiner Arbeit mit den Pferden aufging, mußte er sich doch gestehen, daß es keine leichte Aufgabe war. Ein langer Sommer mit schweren Rennen lag vor ihm. Tägliches Training, unaufhörliche Vorbereitungen und Mühen waren damit verknüpft. Daheim auf der »Farm der Hoffnung« war vollends nie ein Ende der Arbeit abzusehen. Zuverlässige Hilfskräfte waren rar und sehr schwer festzuhalten. Jeden freien Tag mußte man dazu nutzen, Ställe und Koppelzäune auszubessern, die Weiden mußten abgeeggt, die Fohlen versorgt, der Heuvorrat für den Winter eingefahren werden. Man kam nie ganz mit der Arbeit nach, wenn die Rennsaison endlich hinter einem lag.
    Es hieß daher diese Tage doppelt genießen! Sie wollten heute sogar einmal ohne Sattel und Zaumzeug reiten, wie es beiden, Pferd und Reiter, von jeher am meisten Spaß machte.
    Alec griff mit beiden Händen in Blitz’ Mähne, sprach ihm zu und schwang sich mit einem kräftigen Satz auf seinen Rücken, und sogleich verständigte er sich mit seinem Pferd in der nur ihnen beiden vertrauten Sprache: durch eine leise Berührung mit der Hand, durch einen leichten Schenkeldruck konnte er Blitz Richtung und Geschwindigkeit angeben, und zuweilen war nichts anderes nötig als ein leiser Laut.
    Er veranlaßte Blitz, in einen leichten Galopp zu fallen. Als sich das Tor der Koppel hinter ihnen geschlossen und sie den Weg erreich»-hatten, ließ er den Hengst so schnell laufen, wie er mochte. Alec genoß den Ritt, er lauschte dem gleichmäßigen Aufschlag der Hufe, das war Musik für ihn. Das Geheimnis der Schnelligkeit und Ausdauer seines Pferdes lag nicht nur in seiner unbändigen Kraft, sondern ebensosehr in dem perfekten Rhythmus seiner Bewegung-
    Alec schob sich weiter vor auf den Hals des Hengstes und paßte sich völlig dem Takt seiner Galoppsprünge an. Wenn Blitz in vollem Tempo lief und der Wind Alec die Tränen in die Augen trieb, war er der glücklichste Mensch auf Gottes weiter Welt, so glücklich wie sein Pferd, das in der Freiheit von Sattel und Zaum schwelgte. Instinktiv fing Alec an, die Entfernung zu schätzen und die Sekunden zu zählen, und versuchte so Blitz’ Zeit zu stoppen. Jeder Jockey muß die Geschwindigkeit seines Pferdes abschätzen können, muß es im Gefühl haben, ob es im vollen Galopp dahinjagt oder seine Kraft verhält. Alec hörte nie auf, sich im Zeitmessen zu üben, weil er wußte, daß es weniger angeborenes Talent als vielmehr harte Übung war, die den Meister machte. Blitz sollte sich heute auf keinen Fall verausgaben.
    Nach ungefähr 1 600 Meter ließ er ihn in Trab fallen, nahm die Hände aus seiner Mähne und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sie waren den Everglades schon so nahe, daß ihm der Wind den Sumpfgeruch in die Nase wehte. Mit einemmal spürte er etwas wie eine Warnung vor kommender Gefahr in der Luft, dasselbe Gefühl wie vorhin, eine merkwürdige Ahnung, daß an diesem Morgen etwas ganz anders war als sonst. Er hielt Blitz an, um sich klarzuwerden, ob die nebelhafte Mahnung Wirklichkeit war oder Einbildung. Sonderbar, sein Gefühl blieb unsicher.
    Aber eine Warnung hatte er empfangen, daran gab es keinen Zweifel.

Inseln im Marschland

    Alec ließ den Blick über das Sumpfgebiet schweifen, das mit scharfem, schilfartigem Sägegras bewachsen war. Von weitem wirkte es wie ein Meer in der Farbe reifen Weizens mit smaragdgrünem Schimmer. Das also waren die berühmt-berüchtigten Everglades! Weder Land noch Wasser, älter als Menschengedenken und zum großen Teil noch unberührt von Menschenhand! Man hatte das Gefühl, es rühre sich nichts, es läge alles unbeweglich vor einem; dennoch spürte Alec etwas wie einen Pulsschlag.
    Er schüttelte die Besorgnis, die ihn überkommen hatte, von sich ab. Einen vernünftigen Grund, sich vor dieser feuchten Wildnis zu fürchten, gab es nicht. Zähe und wahrscheinlich doch im Laufe der Jahre unaufhaltsam drangen die Entwässerungskanäle weiter und weiter in die Wildnis vor, die um ihr Bestehen zu kämpfen und Widerstand zu leisten schien; so selbstbewußt lag die unübersehbare sonnenbeschienene Fläche da, als ob sie allen den Kampf ansagte, die sie zerstören wollten.
    Der Feldweg, auf dem Alec gekommen war, führte zu einem entlegenen, einsamen
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