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Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns
Autoren: Poul Anderson
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Prolog
    Steil erhebt sich die Küste von Dalmatien. Eine knappe Seemeile landeinwärts steht die Stadt Schibenik hoch auf einem Berg über dem Fluß Krka und blickt auf die Berggipfel im Osten. Hier bildet das Wasser ein breites Becken, das in seinem weiteren Lauf zum Meer hin enger wird. Flußaufwärts stürzt es sich jedoch in tosenden Kaskaden aus dem See, den es zusammen mit anderen Quellen geschaffen hat.
    Zu der Zeit, als Karl Robert von Anjou der Knabenkönig von Kroatien und Madjarien wurde, bestand das Land entlang dieser Wasserfälle zum größten Teil aus Urwald, ebenso das Ufer des Sees, ausgenommen die Stelle, wo sich der Krka in ihn ergißt. Dort hatten Menschen den Wald schon längst gerodet und den Boden unter den Pflug genommen. Ein wenig weiter flußaufwärts, ungefähr da, wo der Chikola einmündet, drängte sich das Dorf Skradin an die Festung seines Herrn, des Zhupan.
    Doch auch hier spukte die Wildnis bis in die Burg hinein. Nicht nur, daß man des Nachts Wölfe heulen und des Tags Schakale bellen hören konnte, daß einem die Felder von Hirschen und Wildschweinen zertrampelt wurden und daß sich gelegentlich ein Elch mit seinem mächtigen Geweih oder ein Auerochse sehen ließ. Unheimliche Wesen wohnten im Umkreis – Leschi zwischen den Bäumen, ein Vodianoi in den Tiefen – und seit kurzem, so wurde geflüstert, eine Vilja.
    Zhupan Iwan Subitsch schenkte solchem Gerede unter seinen Leibeigenen kaum Beachtung. Er war ein strenger, aber gerechter Mann, nahe verwandt mit dem großen Ban Pawel und sich daher einer größeren Welt als der ihren bewußt. Zudem hatte er Jahre in der Fremde verbracht, viele davon in Kriegen, die ihn gehärtet und mit Narben bedeckt hatten.
    Ebensowenig fürchtete sich sein ältester Sohn Mihajlo vor den Gespenstern des Waldlandes. Tatsächlich hatte der Jüngling die Sagen, die ihm in seiner Kinderzeit erzählt worden waren, schon beinahe vergessen; denn er war in der Abtei von Schibenik erzogen worden, hatte Reisen zu den verkehrsreichen Häfen Zadar und Split unternommen und war einmal über die Meerenge nach Italien übergesetzt. Was ihn betraf, so wünschte er sich Reichtum und Ruhm und ein Entrinnen aus dem Einerlei, in dem er seine Kindheit verbracht hatte. Zu diesem Zweck schloß er sich mit Iwans Hilfe dem Gefolge von Pawel Subitsch, dem Königsmacher, an.
    Trotzdem hing er an seiner Heimat und besuchte Skradin oft. Dort kannte man ihn als fröhlichen und gutherzigen, wenn auch manchmal gedankenlosen Menschen, der Farbe, Lieder und kurzweilige Geschichten aus der Welt dort draußen mitbrachte.
    An einem Morgen zu Sommeranfang verließ Mihajlo die Burg, um auf die Jagd zu gehen. Ein halbes Dutzend junger Burschen begleitete ihn. Drei waren Wachen und Leibdiener, die aus Schibenik mitgekommen waren. Im Augenblick herrschte Frieden sowohl mit den Venetianern als auch zwischen den mächtigen Klans, und den letzten Räuber dieser Gegend hatte Iwan Subitsch schon vor mehreren Jahren köpfen lassen. Aber immer noch reisten Männer nicht gern allein, und Frauen taten es nie. Die übrigen Gefährten Mihajlos bei diesem Ritt waren sein jüngerer Bruder Luka und zwei freie Bauern, die als Führer dienen und die grobe Arbeit übernehmen sollten. Eine Meute Hunde lief hinterher.
    Einen prächtigen Anblick boten die jungen Leute. Mihajlo war nach der neuesten westlichen Mode in ein grünes Wams, eine grüne Hose, ein safrangelbes Hemd, einen mit Seide gefütterten Umhang, Halbstiefel und Stulpenhandschuhe aus korduanischem Leder gekleidet. Auf den langen braunen Locken trug er eine Samtkappe, das Gesicht war glatt rasiert. Wenn sein Pferd im Übermut tänzelte, klappte der Hirschfänger, den er am Gürtel trug. Er saß auf seinem Tier, als seien er und das Roß eins. Seine persönlichen Diener waren kaum weniger farbenfreudig gekleidet; ihre Speerspitzen blitzten in der Sonne. Lukas knielanger Mantel, seine Überjacke und die mit Kreuzbändern verschnürten Kniehosen unterschieden sich kaum von der Kleidung der Bauern, nur daß sie aus feinerem Stoff und an Ärmeln und Saum reicher bestickt waren und sein randloser Spitzhut statt eines Besatzes aus Kaninchenfell einen aus Zobel hatte. Er und sie trugen kurze, krumme Bogen sowie Messer von einer Größe, daß sie es mit einem Bären aufnehmen konnten.
    Die Hufe klapperten über die Straße und stampften über die Feldwege. Im Gegensatz zu den fränkischen Herren behandelten die kroatischen Adligen ihre Untergebenen im
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