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Blitz in Gefahr

Blitz in Gefahr

Titel: Blitz in Gefahr
Autoren: Walter Farley
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riesigen Halle allmählich erloschen, bis die Zuschauer fast ganz im Dunkeln saßen. Auch auf diesem Effekt bestand er, einerlei, in welcher Manege er auftrat — zehn Sekunden waren das allermindeste, um die Zuschauer zum Verstummen zu bringen und sie auf die märchenhafte Schönheit vorzubereiten, die sie erwartete.
    Er streifte den dünnen Lederhalfter vom Kopf der Stute, wobei er sie forschend ansah, ob sie auch auf sein Zeichen wartete. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, daß sie begierig darauf war, sich zu produzieren, er wußte, wie stolz sie dann den Beifall der Zuschauer in Empfang nehmen würde.
    Der Stallmeister hatte sich in das Orchesterparterre begeben, während die Manege vollkommen dunkel dalag.
    »Das Geisterroß«, fuhr er in seiner Ankündigung fort, »ist ein göttliches Pferd, ein Phantom. Nicht mehr erdgebunden, sondern tanzendem Feuer vergleichbar oder Pegasus, dem geflügelten Roß der alten Griechen.«
    Dem Mann, der die Stute hielt, wäre es lieber gewesen, wenn die Ankündigung mit diesen Worten geendet hätte. Er wünschte sich nichts weiter als vollkommenes Schweigen und Dunkelheit, aus der dann geisterhaft die ersten zaghaften Töne der Begleitmusik aufstiegen. Jedoch der Besitzer des Zirkus Heyer bestand darauf wie die meisten anderen, bei denen er aufgetreten war, daß sein Name genannt wurde, da er den Zirkusliebhabern auf der ganzen Welt ein Begriff war. Er hatte es sich längst abgewöhnt, darauf hinzuweisen, daß im Grunde einzig und allein die Vorführungen der Stute wichtig waren.
    »Hauptmann Robert de Villa, früher Mitglied des berühmten Cadre Noir der französischen Kavallerieschule, ist der größte lebende Meister der Hohen Schule. Er führt Ihnen einen einmaligen Dressurakt vor. Seine herrliche Stute Silberfee zeigt die Figuren der Hohen Schule in höchster Perfektion, und zwar, was kaum glaublich ist, ohne Reiter.«
    »Geh jetzt, chérie!« flüsterte der Hauptmann seiner Stute zu. Sie tänzelte anmutig in die Manege, während er hinter dem Vorhang zurückblieb. Seine Gesichtszüge verrieten weder Nervosität noch Erregung. Er war ein Mann, der sich selbst und sein Pferd vollkommen beherrschte.
    Kaum hörbar und gespenstisch erklangen die ersten Takte der Begleitmusik in der vollkommenen Stille und Dunkelheit. Danach schwollen die Töne allmählich an und füllten den Raum. De Villa konnte förmlich fühlen, wie die Spannung der Zuschauer stieg in der Erwartung dessen, was kommen würde. Alle starrten wie gebannt auf das im Finstern liegende Manegenrund. Er wußte, daß wohl nur wenige Menschen in der Manege ahnen mochten, daß diese Musik einzig für diesen Zweck komponiert worden war, nämlich um das Gefühl zu wecken, daß jetzt gleich etwas Ungewöhnliches geschehen würde. Die Töne wurden nun wieder leiser und leiser. Endlich waren sie fast nicht mehr vernehmbar, bis sie plötzlich abbrachen, wie sie begonnen hatten.
    Der Hauptmann lächelte in die Dunkelheit hinein. Die Zuschauer verhielten sich noch immer mäuschenstill; aber er wußte, daß ihre Spannung inzwischen beinahe ins Unerträgliche wuchs. Sie strengten Augen und Ohren an, um weder den leisesten Laut noch die geringste Bewegung in der Manege zu verpassen.
    Wieder setzte die Musik ein, diesmal in träumerischer Langsamkeit, als ob sie ein Sommerwind aus weiter Ferne hereintrüge. Vor einem dünnen, beharrlich pfeifenden Flötenton traten die anderen Instrumente jetzt schlagartig zurück. Dann belebte sich der Rhythmus, eine lange Flötenpassage, eine neue Bewegung, so sanft wie Regentropfen, stahl sich durch den Raum, geheimnisvoll, unergründlich.
    Plötzlich fiel das Licht eines Scheinwerfers auf die Stute, die bis dahin unbeweglich in der Mitte der Manege gewartet hatte. Sie hielt den Kopf gesenkt, es wirkte, als ob sie auf einer Wiese weidete und nicht in der brodelnden Atmosphäre einer Zirkusmanege stünde. So verharrte sie immer, bis ihr die Musik das nächste Zeichen gab: einen schrillen, andauernd wiederholten Pfeifton.
    Die Augen des Hauptmanns ruhten unentwegt auf ihrem silbern schimmernden Körper. Eine Sekunde ging vorüber, während die Stute geisterhaft still verharrte, als wäre sie von dieser undeutbaren, unheildrohenden und berauschenden Musik gebannt.
    Dann endlich erklang eine Folge leiser, trillernder Töne aus dem Hintergrund, das Zeichen für die Stute, mit ihren Vorführungen zu beginnen. De Villa beobachtete, wie sich der schmale Kopf allmählich hob, sich umwendete, als
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