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Blitz in Gefahr

Blitz in Gefahr

Titel: Blitz in Gefahr
Autoren: Walter Farley
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wäre Silberfee ungewiß, woher die Töne kamen und was sie bedeuteten. Mit geisterleichten Hufen tänzelte sie dann aus der Mitte an die Bande und begann im Kreis zu traben, erst langsam, dann schneller im Takt der aufreizenden, schrillen Töne, plötzlich wieder gemessen, als behagte ihr die scharf und laut gewordene Begleitmusik nicht. Die Tonfolge verlangsamte sich mit ihren Schritten, wurde geheimnisvoll, verweilte in großen Pausen. Silberfee führte die »Passage« genannte Figur der Hohen Schule vor, einen schwungvoll-erhabenen, gemessenen Trab mit schwerelos scheinenden, federnd abgestoßenen Hufen. Der Hauptmann beobachtete, wie perfekt sie arbeitete. Er konnte sich nicht vorstellen, daß die Zuschauer nicht überwältigt waren von ihrer Anmut, selbst wenn sie keine Ahnung von der edlen Kunst der Hohen Schule in ihrer höchsten Vollendung hatten. Silberfee war nichts anzusehen von der großen Anstrengung, die es für sie bedeutete, diesen disziplinierten, beherrschten Trab auszuführen. Statt dessen schien es, als bewegte sie sich zu ihrem eigenen Vergnügen in dieser abgezirkelten Gangart.
    Ob die Schweden wohl begriffen, was es bedeutete, daß sie diese schwierige Übung ohne Nachhilfe eines Reiters ausführte? Ohne die Erleichterung körperlicher Hilfen von Händen und Beinen? Fast jeder Zirkus konnte ein gutes Schulpferd mit einem geschickten Reiter im Sattel vorweisen; jedoch gab es kein Pferd, soweit ihm bekannt war, das imstande war, diese schwierigen Lektionen ohne Reiter vorzuführen. Es hatte viele Jahre harter Arbeit bedurft, diese Vollkommenheit zu erreichen!
    Jetzt schwoll die Musik an, die Flötentöne im Hintergrund waren kaum hörbar, nur ihm und der Stute waren sie bewußt. Sie wurden bestimmter, befehlender, und Silberfees Bewegungen änderten sich schnell. Sie verlangsamte ihre Vorwärtsbewegung noch mehr, ohne ihre stolze Haltung zu verändern. Dann trabte sie plötzlich auf der Stelle und setzte die Hufe genau im Takt. Es war die berühmte »Piaffe«, das Traben auf der Stelle. Selbst die kritischen Augen de Villas, ihres Lehrmeisters, konnten nicht den geringsten Fehler entdecken. In all den Jahren, in denen er mit ihr gearbeitet hatte, war sie noch nie so fehlerlos gewesen wie jetzt.
    Endlich verstummte die Musik, das Zeichen für die Stute, die Piaffe zu beenden. Wieder umkreiste sie langsam das Zirkusrund, blieb dann in ihrer königlichen Schönheit im Scheinwerferlicht stehen, um auf den Beifall zu warten, den sie sich, wie sie genau wußte, verdient hatte.
    Das Publikum klatschte, wie es sich gehörte, jedoch mehr höflich als begeistert, wie Hauptmann de Villa verärgert feststellte. Dann wartete die Menge auf das, was nun folgen würde.
    Im Orchester erklangen jetzt Beckenschläge. Silberfee reagierte sofort auf das Zeichen, sie fiel in einen leichten Galopp. Ihre tanzenden Hufe nahmen den neuen Rhythmus so begierig auf, als hätte sie längst darauf gewartet. Ihr Galopp schien nicht minder leicht und schwebend als vorher der Trab. Immer schneller umkreiste sie das Rund, bis sie sich in vollem Galopp befand. Plötzlich wirbelte sie sich auf der Hinterhand herum und drehte eine Pirouette in einem so engen Kreis, als ob sie mit ihren Hinterhufen ein Loch in die Lohe bohren wollte. Die Musik schwoll in einem großen Crescendo an. Das silbern schimmernde Pferd verlegte sein Gewicht auf die tief gesetzte Hinterhand und erhob die Vorhand so weit von der Erde, daß der Rumpf einen Winkel von etwa 40 Grad zum Boden bildete. So verharrte es mehrere Sekunden, ehe es sich langsam hinabsenkte und mit den Vorderhufen genau in die Spuren trat, aus denen es sich erhoben hatte.
    De Villa wartete gespannt, ob das Publikum dieser vollendet ausgeführten »Levade« applaudieren würde. Er lächelte dann, denn diesmal brandete der Beifall wie eine Welle auf. Sogar diese kühlen Zuschauer hatte Silberfee jetzt in ihren Bann geschlagen. Aber sie hatte noch mehr zu bieten! Unter anschwellenden Trommelwirbeln erhob sie sich erneut auf die Hinterhand und vollführte vier weite Sprünge, ohne mit der Vorhand aufzufußen. Es war der »Courbette« genannte Schulsprung. (Ein Pferd, das diese Figur ausführt, muß ungewöhnliches Balancevermögen, Geschicklichkeit und Mut haben.) Erst danach kam sie mit den Vorderhufen wieder auf die Erde und trabte langsam im Kreis, den Körper noch immer im Takt der Musik tänzerisch wiegend.
    De Villas Herz flog zu ihr hinüber, denn er wußte, wie sehr sie ihren Tanz
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