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Blind vor Wut

Blind vor Wut

Titel: Blind vor Wut
Autoren: J Thompson
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bringen.«
    »Was ist denn mit Steve?«
    »Was soll mit ihm sein? Er denkt natürlich ebenso. In dieser Welt muss man so einiges schlucken, was einem nicht gefällt. Dad hatte viel zu schlucken, bevor er Arzt werden konnte.«
    »Das glaube ich«, sagte ich. »Aber nun ist er Arzt, und er muss nicht mehr so viel einstecken, oder? Doktor Hadley hat’s geschafft.«
    »Du weißt, dass es nicht so ist.« Lizbeth schüttelte den Kopf. »Aber stell dir mal vor, wie viel schlimmer es wäre, wenn er kein Arzt wäre. So muss man denken, Allen«, erklärte sie ernst. »Und so zu denken, das hat Dad Steve und mir beigebracht. Wenn es Wege gibt, die dir verbaut sind, nun, dann konzentrier dich eben auf die, die dir offen stehen. Und wenn du nicht die richtigen Freunde findest, Menschen, die dich weiterbringen, dann such dir besser gar keine.«
    »Ich verstehe, was dein Vater meint«, sagte ich und kniff die Augen zusammen, um wach und wissend zu wirken. »Lass keinen Trick aus, weder gesellschaftlich noch beruflich, dann kannst du gar nicht anders, als ans Ziel zu kommen. Zumindest teilweise. Irgendwann.«
    »Genau«, sagte Steve, der gerade mit der Milch zurückkam. »Ganz genau, Allen. Schwesterherz, hast du Al von all den großen Versammlungen erzählt, zu denen Dad geht? Einmal hat er sogar vor der AMA einen Vortrag gehalten!«
    »Sieh mal an«, sagte ich.
    Die Glocke läutete zum Ende der Pause.
    Wir verließen die Cafeteria, und Steve erzählte mir, dass die meisten der anderen farbigen Schüler nicht aus der Gegend waren, sondern mit dem Bus zur Schule kamen. »Viele davon sind aus Harlem, kannst du dir das vorstellen?«
    »Entsetzlich!«, sagte ich.
    »Josie wohnt hier in der Gegend«, sagte Lizbeth. »Ihr Vater ist Hausverwalter auf Teilzeitbasis oder so etwas, und zu dem Job gehört eine Wohnung im Souterrain. Keine besonders schöne, nehme ich an, aber das weiß ich nicht genau. Ich mag Josie ganz gern. Eigentlich sogar sehr gern, wirklich. Aber ich stehe ihr sicher nicht nahe.«
    Du Miststück, dachte ich. Du schleimiges kleines Miststück!
    »Mal sehen«, meinte Steve. »Du wohnst in Fußnähe, stimmt’s, Al? Sicher tust du das. ’ne verdammt gute Adresse.«
    »Du kennst sogar die Adresse«, sagte ich.
    »Und wie ich die kenne. Dad hat versucht, dort eine Wohnung zu bekommen. Wir dachten, er würde es schaffen, weil sie eigentlich für Ärzte eine Ausnahme machen. Aber …« Er runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Ich nehme an, es hat was mit Mutter zu tun.«
    »Womit denn sonst?«, meinte Lizbeth. Die Menschen bräuchten nur einen Blick auf sie zu werfen, und schon sei alles vorbei.
    »Du weißt gar nicht, was für ein Glück du hast, eine solche Mutter zu haben, Allen. Jemand mit Stil und gutem Aussehen und Benehmen. Sie wird sicherlich überall wohnen können, wo sie möchte.«
    »Zumindest solange sie weiß bleibt«, pflichtete ich ihr bei, »und mich im Hintergrund hält.«
    »Na ja«, meinte Lizbeth und tat das Thema schulterzuckend ab. »Natürlich wohnen wir auch nicht schlecht. In Woodside. Nicht so gut wie du, aber akzeptabel.«
    Steve fragte mich, ob ich ein Auto hätte. Nein, antwortete ich, das hätte ich nicht, und sofort boten sie mir an, mich in ihrem Wagen nach Hause zu fahren. Vielleicht könnten wir ja erst noch bei ihnen vorbeischauen und eine Coke trinken oder so? Ihr Vater und ihre Mutter, eine Krankenschwester, seien im Krankenhaus, also gäbe es nicht das übliche Problem mit störenden Eltern.
    Ich willigte ein, und wir verabredeten uns für nach der Schule. Dann gingen die beiden die Treppe hoch zu ihrer nächsten Stunde, und ich lief durch den Gang im Erdgeschoss zu meiner.
    Plötzlich fühlte ich mich blendend. Mir war nämlich aufgegangen, dass ich im Vergleich zu solchen lachhaften Losern wie den Hadleys ziemlich weit oben stand. Im Vergleich zu diesen Schleimern, diesen schnöseligen Pennern war ich ein König. Doch so schäbig sie auch waren – Himmel, was für ein schäbiges Pärchen! –, ich verachtete sie nicht länger, wollte es ihnen auch nicht mehr heimzahlen. Allein der Gedanke an das, was ich da hatte aushecken wollen, erschütterte mich nun ein wenig. Die Pläne, die ich mir für sie geschmiedet hatte.
    Ich meine, warum, um alles in der Welt, wollte ich jemanden verletzen, der so erbärmlich stank, dass ich daneben nach Rosen duftete? Was konnte ich angesichts der beiden anderes fühlen als eine matte Traurigkeit?
    Abgesehen davon bin ich gerecht, ich bin der
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