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Blind vor Wut

Blind vor Wut

Titel: Blind vor Wut
Autoren: J Thompson
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Matheklasse, waren noch zwei weitere Schwarze da, Bruder und Schwester.
    Beide waren schick angezogen. Ihre Haut war fast so dunkel wie meine, aber sie waren keine Wollköpfe wie ich. Sie hatten Haare auf dem Kopf, richtige Haare, keine Perücken, und zwar so viele davon, wie sie nur tragen konnten. Die Haare des Mädchens reichten bis über ihre Schultern, seine bis an den Kragen.
    Ich verstehe nicht, warum Schwarze so einen gottverdammten Riesenwirbel um ihre Haare machen. Die meisten jedenfalls. Und wenn sie sie nicht auf dem Kopf haben, dann eben im Gesicht. Ein beschissener kleiner Schnurrbart, so dürr, dass er aussieht wie eine zerschmelzende Raupe, oder ein Ziegenbart aus vielleicht dreieinhalb Haaren. In letzter Zeit ist mir dann noch die Sache mit den Sonnenbrillen aufgefallen – man trägt Sonnenbrille. Brille und Haare, das gehört anscheinend zusammen.
    Gib irgendeinem Hungerleider aus Harlem eine billige Sonnenbrille aus dem Ramschladen und ein paar Haare, und schon hält er sich für den Größten. Mehr braucht er nicht – eine Sonnenbrille und Haare –, und schon ist er Mr. Großkotz.
    Kein Wunder, dass die Menschen über die Schwarzen lachen und auf sie herabsehen.
    Diese blöden Angebertrottel machen uns allen nur das Leben schwer. Diese Geschwister, von denen ich gerade sprach, hatten keine Sonnenbrillen auf, weil sie was Besseres waren, und das ließen sie einen auch sofort spüren. Kaum war ich aus dem Englischraum heraus, hängte sich der Bursche, Steve Hadley, auch schon an mich. Er stellte sich und seine Schwester vor und meinte, wir sollten doch zusammen zu Mittag essen. Als wir dann in der Cafeteria saßen, hatte ich bereits erfahren, dass ihr Vater Arzt war und die beiden, neben vielen anderen Dingen, schon von meinem Matheauftritt gehört hatten.
    Ich schätze, ich muss ein wenig verwirrt geschaut haben – vielleicht auch etwas verärgert. Der Kerl lachte und meinte, ich würde es ihnen hoffentlich nicht übel nehmen, aber seine Schwester Lizbeth und er seien nun mal neugierig auf ihn gewesen.
    »Ich sag dir, wie es ist, Al«, erklärte er ganz offen, »Liz und ich waren hier irgendwie einsam. Wir ham …«
    »Wir haben , nicht ham«, unterbrach ihn Lizbeth streng. »Du weißt doch, was Vater über solche Dinge sagt.«
    »Wir haben«, verbesserte sich Steve, »nach jemandem gesucht, der zu uns passt, verstehst du? Liz ist zufällig Josie Blair begegnet, gleich nachdem du mit deiner Mutter heute Morgen beim Direktor warst, und Josie und Liz, na ja, die sind nicht wirklich Freundinnen. Aber Josie ist ganz süß, eckt nicht gern an, und wenn Liz etwas herausfinden will, dann findet sie es auch heraus. Wir hatten uns also schon halbwegs entschieden, dass du zu unserer Gesellschaftsschicht gehörst, und, ähm …«
    Ihr verlogenen kleinen Einschleimer, dachte ich. Junge, werd ich es euch zeigen!
    Ich nickte ernst. Dann sagte ich, mit jemandem Freundschaft zu schließen, sei ein ziemlich weitreichender Schritt, also sollten wir lieber noch eine Weile darüber sprechen, bevor sie sich endgültig entschlössen. »Schließlich gibt es hier doch eine ganze Reihe anderer Nigger. Ihr beide findet sicherlich jemanden, der noch besser zu euch passt.«
    »Nein.« Steve schüttelte den Kopf. »Wir haben nichts mit Niggern zu schaffen. Und außerdem ist das genau das treffende Wort für die, Al, selbst wenn wir es nicht gern in den Mund nehmen. Es gibt Schwarze wie uns, und dann gibt es Nigger. So wie es Juden und Itzigs gibt und, ähm …«
    »Katholiken und Fischfresser?«
    »Richtig, richtig! Und …«
    »Deutsche und Krauts? Italiener und Spaghettis? Mexikaner und Fettlocken? Puerto Ricaner und …«
    »Steve«, ging Lizbeth dazwischen, »holst du mir bitte noch eine Milch?«
    »Aber natürlich«, meinte Steve. Er ging hinüber und stellte sich an der Essenstheke in die Schlange. Ich dachte, Lizbeth würde seine Abwesenheit dazu verwenden, mich abzukanzeln, aber das tat sie natürlich nicht. Einschleimer kanzeln nicht die Leute ab, bei denen sie sich einschleimen. Stattdessen fragte sie mich, wie mir denn die Militärschule gefallen habe.
    »Oh, ich habe sie geliebt!«, antwortete ich. »Wie auch anders? Die beste Einrichtung dieser Art im ganzen Land – so sagt man –, und ich war der einzige Schwarze dort.«
    Lizbeth nickte verträumt und stützte ihr Kinn in ihre Hand. »Großartig! Was für eine großartige Gelegenheit! Dad würde seine Augenzähne dafür geben, Steve an eine solche Schule zu
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