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Blind vor Wut

Blind vor Wut

Titel: Blind vor Wut
Autoren: J Thompson
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gerechteste Mistkerl, den Sie jemals kennenlernen werden – nach meinen eigenen Maßstäben. Ich behandle niemanden ungerecht, es sei denn, er verdient es – meiner Meinung nach. Steve und Lizbeth Hadley hatten ihre Strafe schon bekommen. Von ihnen selbst und von ihrem Arschloch von Vater, dem Doktor.
    Wie gesagt, ich war bester Laune. Ich war tolerant, sprudelte schier über vor guter Laune und gutem Willen. Dann kam ich an Mr. Velies Büro vorbei, nickte und lächelte ihn an, weil er in der Tür stand. Er sah den Gang entlang, als hielte er nach jemandem Ausschau. Was er tatsächlich tat, wie sich herausstellte.
    Nach mir.
    Seine Hand schloss sich auf vertraute Weise um meinen Arm. Eine Weise, die ich schon tausendmal gespürt hatte und die mich mit Furcht und Hass zugleich erfüllte. Er sprach mich mit einem alten, vertrauten Ton in der Stimme an, und Hass und Furcht glühten und flackerten in mir auf.
    Er zog mich durch den Durchgang in der Theke und an Josie Blairs leerem Schreibtisch vorbei – warum war ich so froh, dass sie nicht da war und mich sah? – in sein Büro.
    Er schloss die Tür und befahl mir, mich zu setzen. Warum, fragte ich, was sei denn das Problem, oder etwas in der Art. Er gab mir keine Antwort darauf, sondern wies nur streng auf einen Stuhl. Wieder fragte ich ihn, worum es denn ginge, brachte den Satz aber nicht zu Ende.
    Mr. Velie packte mich bei den Schultern und drückte mich hinunter auf den Stuhl.
    So fest, dass mir die Wirbelsäule schmerzte.

5.
    Mr. Velie setzte sich so dicht vor mir auf die Tischkante, dass seine Knie gegen meine stießen. Leise hörte ich es schrillen, die Glocke drei Minuten vor Beginn der nächsten Stunde, und ich glaubte zu hören, wie draußen jemand ins Vorzimmer trat. Velie ließ seinen Fuß ein wenig schwingen, und seine Schuhspitze traf mich am Schienbein. Ich riss mein Bein nach hinten, ließ es dann aber, wo es war. Ich unterdrückte den Reflex, es erneut zurückzuziehen. Wieder trat er mir gegens Schienbein, dann wieder. Und wieder und wieder. Vielleicht ein Dutzend Mal. Ich rührte mich nicht.
    Ich hätte mich auch nicht gerührt, wenn er mir in die Eier getreten hätte.
    Schließlich gab er es auf und rutschte ein wenig auf dem Schreibtisch zurück.
    »Weißt du, was deine Mutter zu mir gesagt hat, Allen? Nachdem du heute Morgen gegangen bist? Sie hat gesagt …«
    »Ja«, antwortete ich.
    »Sie hat gesagt – was?«
    »Sie hat Ihnen gesagt, dass Sie mich sehr, sehr streng behandeln müssen, damit ich mich anständig be nehme. Dass ich Freundlichkeit oder Rücksichtnahme als Schwäche auslegen würde. Sie hat Ihnen außerdem die vom Gesetz vorgeschriebene schriftliche Erlaubnis erteilt, mich zu züchtigen, falls Sie das für nötig halten.«
    »Nun, ähm …« Das nahm ihm ein wenig die Luft aus den Segeln. Was wohl daran lag, dass ich die Worte meiner Mutter haargenau wiedergegeben hatte. »Du erinnerst dich, dass ich eigentlich dagegen war, dich hier unter welchen Umständen auch immer aufzunehmen, Allen. Ich hatte den Eindruck, dass du auf eine Privatschule gehörst, und ich …«
    »Ich weiß«, unterbrach ich ihn. »Deshalb hat sich Mutter ihren Satz von wegen hart bleiben und körperliche Züchtigung und so ja für den Schluss aufgespart, nachdem sie wusste, dass sie Sie am Haken hatte. Das macht sie immer so. Erst lockt sie den Fisch mit ihrem leckeren Köder und verspricht unausgesprochen mehr, und dann rückt sie mit den letzten Informationen über mich heraus.«
    Ich solle nicht so über meine Mutter reden, fauchte er. Meine Mutter sei eine anständige, ehrliche Frau, die nur mein Bestes wolle!
    »Und ich habe was ganz Fürchterliches getan«, fuhr ich fort und nickte. »Ich habe ihr einen Abschiedskuss gegeben. Vor Ihren Augen. Ein Nigger küsst eine weiße Frau vor den Augen eines weißen Mannes. Ich wette, da hätten Sie mir am liebsten die Fresse eingeschlagen, habe ich recht?«
    »Darum geht es hier nicht!« Mr. Velie wurde rot. »Wechsle nicht das Thema, junger Mann! Wenn du dich nur nicht so bemitleiden würdest, du – ich … ich habe absolut keine rassischen Vorurteile. Ich habe viele Freunde, Kollegen, die Schwarze sind, und ich …«
    »Und wie gefällt es denen, wenn Sie ihnen vors Schienbein treten?«, fragte ich. »Oder behalten Sie sich diese Behandlung für minderjährige Jungen mit hübschen weißen Müttern vor?«
    Er machte eine ärgerliche Bewegung mit der Hand, dann streckte er sie mit offener Handfläche
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