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Blankes Entsetzen

Blankes Entsetzen

Titel: Blankes Entsetzen
Autoren: Hilary Norman
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Menschen-verstand, sein Können und seinen Charme. Als der Chirurg sie kurz nach der zweiten erfolgreichen Operation ihrer Mutter zum ersten Mal zum Mittagessen einlud, nahm sie erfreut an.
    »Sei vorsichtig«, sagte Angela, als Lizzie es ihr erzählte.
    »Es ist doch bloß ein Mittagessen«, sagte Lizzie.
    »So etwas gibt es nicht zwischen einem attraktiven älteren 27
    Mann und einem schönen, unschuldigen Mädchen.«
    »Nicht ganz so unschuldig, Mom, und schön wohl kaum.«
    Lizzie war zwar einigermaßen zufrieden mit ihren blauen Augen und ihrem blonden Haar, doch sie fand ihre Nase zu spitz und ihre Beine zu kurz. »Und erst recht nicht, wenn man bedenkt, an was er gewöhnt sein muss.«
    »Beschädigte Ware«, sagte Angela mit freundlicher Selbstironie. »Daran ist er gewöhnt.«

    Lizzie und Christopher heirateten im darauf folgenden Jahr, die Braut nahm ihr Studium wieder auf – jetzt an der London University –, und der stolze, glückliche Bräutigam führte seine junge Frau aus der St. Paul’s Church in Knightsbridge in ihr neues Leben in seiner großen Wohnung in Holland Park. Es folgte beinahe ungetrübtes Eheglück, das andauerte, bis ihr erster Sohn Edward drei und das Baby Jack ein Jahr alt waren und sie sich gerade ein Haus gekauft hatte. Edwards Hunde- und Katzenallergie war das Einzige in Lizzies Welt, das einem Makel nahe kam.
    Die andere, viel weniger attraktive Seite ihres Mannes, die Lizzie im Laufe der Zeit nur allzu gut kennen lernen sollte, zeigte sich zum ersten Mal in Gestalt einer schattenhaften Vorahnung, wie ein kleiner, beunruhigender Tropfen Bremsflüssigkeit unter einem Auto, ein Alarmsignal, das auf künftigen Ärger hindeutet.
    Es geschah im Sommer 1993, an dem Abend, nachdem sie gefeiert hatten, dass nach Jahren des Schreibens von Zeitschriftenartikeln die Vicuna Press nun Lizzies erstes Buch Viel Spaß in der Küche verlegen würde.
    Christopher war aus London nach Hause gekommen. Obwohl ausgelaugt nach vielen Stunden in den Operationssälen der Beauchamp-Klinik (an der er außerdem einen der
    Direktorenposten bekleidete) und des St. Clare’s Hospital hielt 28
    er einen Strauß weißer Rosen in der Hand und sagte Lizzie, wie klug sie sei und wie stolz er auf sie sei und was für eine brillante Karriere sie vor sich habe.
    Und er bestand trotz seiner Müdigkeit darauf, sie zum Abendessen nach Bray auszuführen.
    Alles war wundervoll.
    Bis gegen drei Uhr morgens, als er Lizzie weckte, indem er seine Nachttischlampe einschaltete, ihr Nachthemd hochzog und sie entschlossen zwischen den Beinen streichelte, bis er sicher sein konnte, dass sie halbwegs bei Bewusstsein war.
    »Ich schlafe noch halb.« Sie lächelte zu ihm hoch, schob seine Hand jedoch weg.
    »Das macht mir nichts«, sagte er und drückte die Hand wieder zurück.
    Sein Kuss war das Erste, das sie erschreckte, weil er so grob war. Doch er vertrieb ihre Schläfrigkeit binnen weniger Sekunden und erregte sie so, dass sie ihn mit gleicher Leidenschaft erwiderte.
    »Oh, Lizzie«, sagte er und begann sofort, sie zu lieben – auch das auf ungewohnt grobe Weise.
    »Sei vorsichtig, Schatz«, bat sie ihn nach ein paar Augenblicken.
    »Halt den Mund«, sagte er grob und machte weiter.
    Hinterher sagte Lizzie sich, es sei ja nicht viel passiert – nur ein leiser Misston, etwas, das sie so schnell wie möglich vergessen sollte. Schließlich war nichts Schlimmes geschehen.
    Nur dieser Hauch von Grobheit.
    Und diese Worte.
    » Halt den Mund. «
    Christopher redete sonst nie so mit ihr.
    Am nächsten Morgen beim Frühstück sprach sie es an.
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    »Das war ungewöhnlich«, sagte sie. »Letzte Nacht, meine ich.«
    »Ungewöhnlich?«
    »Ich meine damit nicht, dass wir uns geliebt haben«, sagte sie.
    »Das war schön.«
    »Das fand ich auch.«
    »Aber …«
    »Aber was?«, fragte Christopher.
    »Du warst ein bisschen grob«, sagte sie.
    »Tut mir Leid«, entgegnete er. »Tut mir wirklich Leid, Lizzie.«
    »Ist schon in Ordnung«, sagte sie. »Ich war nur überrascht.«
    In diesem Augenblick regte sich etwas in Christophers Gesicht. Ein Hauch von Enttäuschung, schien es Lizzie.
    »Ich hatte gehofft …«, sagte er, verstummte dann aber.
    »Was hattest du gehofft?«, fragte Lizzie neugierig.
    »Nichts«, sagte er. »Ist nicht wichtig.«

    Sechs Bücher und ein weiteres Kind später versuchte Lizzie immer noch, alles auf die Reihe zu bekommen, um das Angebot annehmen zu können, das Andrew France ihr überbracht hatte, denn es
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