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Blankes Entsetzen

Blankes Entsetzen

Titel: Blankes Entsetzen
Autoren: Hilary Norman
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Blick.
    »Was ist?«, fragte er beunruhigt.
    »Jetzt bist du sicher enttäuscht von mir.« Es war eine Feststellung.
    »Wie kommst du denn auf die Idee?«
    »Du hast eine Krankenschwester geheiratet. Noch dazu eine, die an diesem Beruf hängt.«
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    »Ich habe dich geheiratet, Clare. Eine sensible, fürsorgliche Frau.«
    »Dann liebst du mich immer noch?«
    »Mehr denn je«, antwortete er beinahe heftig. »Mehr als alles andere auf der Welt.«

    Kurze Zeit später fragte er Clare, ob sie sich vorstellen könne, ihn in der Detektei zu unterstützen, und war überrascht und hocherfreut zugleich von ihrer lebhaften Zustimmung – und bald schon beeindruckt von dem, was sie leistete. Clare entpuppte sich als großes Organisationstalent, und sie war unschlagbar darin, Mängel aufzuspüren. Nach nicht einmal zwei Wochen hatte sie genug Selbstvertrauen, um den größten Teil der administrativen und buchhalterischen Aufgaben zu übernehmen, was Novak die Freiheit ließ, wenigstens einige seiner früheren Stammklienten – zwei Scheidungsanwälte, eine große Zeitarbeitsfirma und Robin Allbeury – davon zu überzeugen, dass er wieder im Geschäft sei.
    Clare schrieb sich an einer Abendschule ein und belegte Buchhaltungs- und Betriebswirtschaftskurse. Sie lernte gern und genoss es, ihre neu erworbenen Fähigkeiten bei der Reorganisation der Detektei einzusetzen, wobei es ihr gleichzeitig gelang, die laufenden Kosten zu senken. So hatte sie, zu Novaks Erleichterung und Dankbarkeit, maßgeblichen Anteil daran, dass die Detektei zum ersten Mal kostendeckend arbeitete und sich kurz darauf in die Gewinnzone bewegte. Mit anhaltendem Eifer drängte sie ihren Mann dazu,
    Fortbildungskurse zu absolvieren, sodass er Mitglied des Britischen Detektivverbandes werden konnte.
    »Das bringt Prestige und neue Kontakte«, sagte sie. »Und beides kann nicht schaden.«
    »Das sagt Robin auch«, bemerkte Novak.
    »Oh«, sagte Clare ein wenig spöttisch. »Wenn Robin es sagt!«
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    Sie war nie sicher gewesen, was sie von Robin Allbeury halten sollte, nie ganz überzeugt von seinen ungewöhnlichen und scheinbar selbstlosen Aktivitäten. Sie hatte das Gefühl, er verheimliche seine wahren Motive. Darauf angesprochen, sagte Novak zu Clare, er habe bisher nicht herausgefunden, wie Allbeurys Motive aussahen – und er wisse auch nicht, ob er etwas darüber erfahren wollte, solange Allbeury weiterhin den Menschen half.
    »Den Frauen«, sagte Clare.
    »Ja. Und uns beiden hilft er, unsere Rechnungen zu bezahlen«, bemerkte Novak.
    Dagegen hatte Clare kein Argument.
    »Er hält dich für einen bemerkenswerten Menschen.«
    »Wie kommt er darauf?«
    »Weil er ein kluger Mann ist«, sagte Novak.

    Zwei Jahre später kehrte der Kummer zu ihnen zurück, als ihr ersehntes erstes Kind bei der Geburt starb. Clare, die allein zu Hause war und ein Bad nahm, als es passierte, verlor das Bewusstsein, bevor sie Hilfe herbeirufen konnte, und ihr neugeborener Sohn überlebte nicht. Sein Tod traf die Novaks wie ein Hammerschlag. Nach Clares Entlassung aus dem Krankenhaus igelten sie sich eine ganze Woche lang in ihrer Wohnung ein und aßen und schliefen kaum. Robin Allbeury –
    der in Sorge war, weil seine Nachrichten unbeantwortet blieben
    – kam schließlich zu ihnen und übernahm mehr oder weniger das Ruder: Er kaufte ein, kochte, informierte Clares Vater über die Tragödie (obwohl Malcolm Killin damals selbst mit Lungenentzündung im Bett lag und nicht helfen konnte) und half Novak, das traurige Begräbnis zu organisieren.
    Nach der qualvollen gerichtlichen Untersuchung des Todesfalles nahmen Clare und Novak nur mit schrecklicher 21
    Langsamkeit ihr gewohntes Leben wieder auf; irgendwann zwangen sie sich, eine Trauerberatung aufzusuchen, fanden sie aber kaum hilfreich. Wie zu erwarten, erwiesen die Arbeit und die Zeit sich als die beste Medizin.
    Monate verstrichen. Die beiden steckten all ihre Energie in die Detektei und bauten sie wieder auf. Aber nichts war mehr wie früher. Alles schien durch Trauer, Selbstvorwürfe oder Angst vergiftet. Wenn etwas sie zum Lachen brachte, fühlten sie sich schuldig, weil ihr Kind im Grab lag. Wenn sie sich liebten, klammerten sie sich aneinander wie zwei Schwimmer kurz vor dem Ertrinken. Wenn sie ein Baby in einem Kinderwagen sahen, raubten ihnen die Trauer und der Neid den Atem.
    Doch auch das ging vorbei.
    »Würde es dir etwas ausmachen«, fragte Clare eines Morgens, fast ein Jahr nach dem Tod des Jungen, »wenn ich einen
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