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Blankes Entsetzen

Blankes Entsetzen

Titel: Blankes Entsetzen
Autoren: Hilary Norman
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wegen ihrer Schreie und ihrem Flehen, ihrem Weinen und Schluchzen den Sozialdienst gerufen, doch sie wies keine sichtbaren Blutergüsse oder Wunden auf, die auf
    Misshandlungen hindeuteten, und angesichts ihrer Weigerung, eine offizielle Meldung zu machen, hatte der Sozialarbeiter keine andere Wahl gehabt, als sich zurückzuziehen.
    »Ich habe das Gefühl, eine zutiefst verzweifelte Frau im Stich gelassen zu haben.«
    »Keine Chance, dass sie ihn verlässt?«, fragte Allbeury.
    »Sie ist längst viel zu mutlos, um es überhaupt zu versuchen«, sagte der junge Mann. »Ihr Mann lässt sie ohne seine Unterschrift nicht mal einen Scheck einlösen, gibt ihr keine Karte für den Geldautomaten, ja, er schreibt ihr vor, wen sie 13
    sehen darf und wen nicht.«
    »Glaubst du, es besteht Selbstmordgefahr?«, fragte Allbeury.
    »Ich würde sagen, es ist zumindest nicht ganz
    auszuschließen.«
    Allbeury blieb einen Moment stumm.
    »Erzähl mir alles, was du weißt.«
    Auf diese Art arbeitete er meistens: Er ließ sich von seinem Informanten alles berichten; dann setzte er seine eigenen Methoden ein, um die Lebensumstände der Frauen zu verifizieren. Falls er dann das Gefühl hatte, er könne möglicherweise helfen, nahm er über eine dritte Person Kontakt zu der Betreffenden auf, um ein erstes Treffen zu arrangieren –
    in der Regel an einem öffentlichen Ort, außerhalb ihres eigenen Umfelds. Einige Frauen schraken ängstlich zurück, doch häufig waren sie neugierig und verzweifelt genug, um zumindest diesen ersten Schritt zu wagen.
    Im Allgemeinen mochten und vertrauten sie Allbeury, der ein einfühlsamer und diplomatischer Fragesteller war; es kam jedoch auch vor, dass die Frauen misstrauisch waren, vor allem, wenn er ihnen sagte, sie müssten sich keinerlei Gedanken über eine Bezahlung machen.
    »Ich kann Sie aber auch nicht in anderer Form bezahlen«, hatte er schon von mehr als einer Frau gehört.
    »Das erwarte ich auch nicht.«
    Er böte ihnen lediglich einen Ausweg an, sagte er stets. Eine Flucht. Das Ende ihrer Ehe, wenn es das war, wofür sie sich letztlich entschieden. Das Ende der Bedrohung, des Leidens oder der panischen Angst.
    »Aber warum? « , hatte eine misstrauische Ehefrau ihn gefragt.
    »Wenn Sie sagen, Sie wollen kein Geld – und ich kann es nicht riskieren, Rechtsbeistand zu beantragen –, warum, um alles in der Welt, wollen Sie mir dann helfen?«
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    Er hatte gelächelt. »Nennen Sie es einen Missionars-Komplex.«
    »Missionare wollen Menschen konvertieren.«
    »Ja. Und das Einzige, zu dem ich Sie konvertieren möchte«, hatte Robin Allbeury entgegnet, »ist die Freiheit.«
    15
    4.
    ike Novak, Privatdetektiv und Inhaber einer ums
    M Überleben kämpfenden Detektei mit Sitz in einem heruntergekommenen ehemaligen Lagerhaus in New Smithfield
    – in einer schmutzigen Sackgasse seitlich der Dock Street, nahe der alten Königlich-Britischen Münzanstalt –, hatte vor fünf Jahren zum ersten Mal mit Robin Allbeury zusammengearbeitet.
    Allen Keith, zu dieser Zeit Juniorpartner in der Kanzlei Bedford Row, hatte Novak damals engagiert, um die angeblichen Seitensprünge der Frau eines wohlhabenden Klienten zu beweisen. Novak fand heraus, dass es in Wahrheit genau andersherum war, und schrieb einen entsprechenden Bericht.
    Der Klient wurde wütend und ordnete an, Novak zu feuern und ihm die Bezahlung zu verweigern. Doch zwei Tage später kam der Seniorpartner der Kanzlei, Robin Allbeury, in Novaks Detektei, um sich zu entschuldigen.
    »Mein Honorar wäre mir lieber«, erklärte Novak.
    Der Anwalt mit dem eleganten Haarschnitt und dem teuren Anzug und der jüngere Mann mit dem zerzausten blonden Haar, dem schmalen Mund und den stechend blickenden blauen Augen musterten einander forschend.
    »Ihr Honorar plus einen Bonus«, sagte Allbeury dann lächelnd und schrieb auf der Stelle den Scheck aus. »Und meinen Dank für einen ordentlich erledigten Auftrag.«
    »Ihr Klient würde Ihnen da aber nicht zustimmen«, sagte Novak.
    Als Novak einige Monate später im Mirror las, dass die Scheidung dieses Klienten mit auffallender Fairness gegenüber der Frau über die Bühne gegangen war, fragte er sich, ob sein Bericht – und vielleicht Robin Allbeury selbst – bei dieser 16
    Übereinkunft eine Rolle gespielt hatten.
    Am Tag darauf tauchten zwei Schlägertypen vor Novaks Wohnung auf, erklärten, er solle seine Berichte künftig im Sinne derer verfassen, die auch seine Rechnung bezahlten, und verabreichten ihm eine
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