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Im Zwielicht der Gefühle (German Edition)

Im Zwielicht der Gefühle (German Edition)

Titel: Im Zwielicht der Gefühle (German Edition)
Autoren: Patricia Alge
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Prolog
    Ägypten, im Herbst 1219
     
    Die riesige Kugel des Vollmonds tauchte die scheinbar endlosen Sanddünen der ägyptischen Wüste in silbernes Licht. Glitzernde Sandschleier wehten leise sirrend dahin, während der Wüstenwind die Rufe der Schakale über das Land trug.
    Doch die Idylle trog. Obgleich sich die Dunkelheit gnädig über das Bild von Tod und Verwüstung gelegt hatte, vermochte sie nichts gegen den beißenden Gestank von Blut und Verstümmelung auszurichten, der wie eine giftige Wolke über dem Kriegslager hing. Auch täuschte sie die Überlebenden nicht über das Wissen hinweg, dass nur wenige Schritte entfernt, hinter der nächsten hohen Düne, hunderte von gefallenen Soldaten lagen. Engländer, Schotten, Ungarn und Franzosen – sie alle hatten Seite an Seite tapfer gekämpft, um auf diesem heiligen Kreuzzug zu Ruhm und Reichtum zu gelangen. Doch was sie gefunden hatten, waren nichts als Tod und Verderben im heißen Wüstensand. Nun lagen sie unter dicken Sandschichten begraben, um ihre sterblichen Überreste vor den hungrigen Schakalen zu verbergen.
    Die Schlacht war geschlagen. Nach mehr als fünf Monaten schwerster Belagerung war die befestigte Stadt Damiette gefallen. Dennoch war nur wenigen Soldaten im Lager nach Feiern zumute. Zu schwer wiegend waren die eigenen Verluste - zu nah der Geruch des Todes, dem sie nur mit knapper Not entronnen waren.
    Gedankenverloren saßen sie in kleinen Gruppen um die zahlreichen Lagerfeuer und verzerrten ihr spärliches Mal.
    „Ich sage euch, der Franzose hat einen Pakt mit dem Teufel geschlossen“, ließ sich einer der sechs Soldaten am südlichsten Lagerfeuer vernehmen. Er trug einen Verband um den Kopf und blickte ernst in die Runde.
    Jeder wusste sogleich, von wem die Rede war. Obwohl fast vierhundert französische Landsleute am heutigen Tag gekämpft hatten, gab es nur einen, den sie ‚den Franzosen’ nannten.
    „Selbst die Priester des Lagers behaupten, er habe den bösen Blick.“
    Der Soldat senkte die Stimme zu einem viel sagenden Flüstern. „Ist euch aufgefallen, dass er noch keiner einzigen Messe beigewohnt hat? Heute Morgen, vor der Schlacht, soll er sogar den Priester weggejagt haben, als dieser ihm den schützenden Segen erteilen wollte.“ Er blickte erwartungsvoll in die Runde. „Wenn Ihr mich fragt: Ich würde beschwören, dass er ein Bote des Teufels ist.“
    „Red’ keinen Unsinn, Mann“, fuhr der Älteste ihm lachend ins Wort. „Der Fürst der Finsternis wird wohl kaum seine Häscher aussenden, um an einem heiligen Kreuzzug mitzuwirken.“
    „Ach ja, und wie erklärst du dir dann seine ungeheuere Kraft? Niemand von uns wäre in der Lage, sein riesiges Langschwert zu schwingen, geschweige denn, eine ganze Schlacht damit zu bestreiten. Er hingegen scheint das Gewicht seiner Waffe nicht mal zu spüren.“
    „In der Tat. Habt ihr ihn heute kämpfen sehen?“, mischte sich ein Dritter ein. „Wie ein Berserker hat er sich ins Schlachtengetümmel gestürzt und jeden niedergemäht, der es gewagt hat, die Waffe gegen ihn zu erheben.“
    „Und erst dieser Kampfschrei!“, fügte ein anderer hinzu und bekreuzigte sich hastig. „Ich sage euch, mir läuft es jetzt noch kalt den Rücken herunter.“
    Der Soldat mit der Kopfbinde nickte zustimmend.
    „Ja, der Kerl kann unmöglich aus Fleisch und Blut sein. Allein seine Körpergrösse jagt einem einen Schrecken ein, und erst diese Augen...“
    Er fröstelte. „Kalt wie Stahl.“
    Der jüngste der sechs Soldaten furchte verwirrt die Stirn. „Unter welchem König reitet er eigentlich?“
    „Das ist es ja! Er reitet unter seinem eigenen Banner. Vor knapp drei Monaten ist er wie aus dem Nichts mit seinem Heer aufgetaucht und hat seine Dienste angeboten. Niemand weiß, wo er eigentlich herkommt.“ „Er ist wohl kaum dazu verpflichtet, jedem Rechenschaft über sein Leben abzulegen“, mischte sich der Älteste wieder ins Gespräch ein.
    Der Soldat mit der Kopfbinde ließ sich jedoch nicht so schnell von seiner Meinung abbringen. „Wie erklärst du dir denn, dass niemand etwas über diesen Riesen weiß? Ein Krieger mit seinen Fähigkeiten und seinem Geschick müsste doch weithin bekannt sein. Doch niemand scheint ihn zu kennen, weder von Turnieren noch von anderen Schlachten her. Selbst seine eigenen Männer wissen kaum mehr als seinen Namen.“
    „Und doch folgen sie ihm in blindem Vertrauen“, gab der Älteste zu bedenken. „Wie alle, die wir hier um diese Feuerstelle sitzen.“ Er
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