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Bittersweet Moon

Bittersweet Moon

Titel: Bittersweet Moon
Autoren: Sara Belin
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hochhob
und mich dabei warm anlächelte. Er mochte das Lied sehr, es erinnerte ihn an
seine vergangene Liebschaft, die er noch nicht ganz überwunden hatte.
    Immer
wieder muss ich staunen, was für eine unerklärliche Kraft in der Musik steckt.
Sie kann wie kein anderes Medium Erinnerungen aufleben lassen. Sie erweckt alte
Gefühle, erneuert verblasste Farben, erfrischt verflossene Düfte und
konserviert bestimmte Empfindungen, die dadurch immer wieder dann abrufbereit
werden, wenn wir das dazugehörige Stück hören. Jeder kennt Lieder, die ihn an
einen bestimmten Menschen oder an ein besonderes Erlebnis erinnern und die
einen in die Zeit zurückversetzen können, die für immer vergangen ist. Doch für
einen Augenblick lang werden einem die gleichen Empfindungen ermöglicht, die
gleiche Freude oder der gleiche Schmerz wie damals, was ohne Musik nicht mehr
möglich gewesen wäre… Meine Stimme klang an dem Abend besonders frisch und ich
sang mit voller Intensität, obwohl ich kaum Publikum hatte. Unter meinen Füssen
bemerkte ich plötzlich einen kalten Luftzug, wie immer, wenn die Bartür hinter
mir aufging. Es kommen doch noch mehr Gäste , vermutete ich während ich
weiter sang. Das Lied erzählte von der Frau, die fest daran glaubt, dass der
Mann den sie liebt, eines Tages zu ihr findet. Man weiß nicht, ob sie ihn am
Ende wirklich bekommt oder träumt sie nur ihren Traum weiter. Das Lied ist
voller Hoffnung, aber auch melancholisch und sehnsüchtig und so sang ich es
auch. Zwischen den Strophen spielte ich immer ein längeres Klaviersolo, um die
dramatische Erwartung noch weiter zu steigern. Bald merkte ich, wie Tom hinter
seinem Tresen aufgeregte Grimassen zu machen angefangen hatte und mir mit den
Augen etwas zu signalisieren versuchte. Er zeigte dabei mit dem Kopf in die
Ecke hinter mir rechts und sah aus, als ob er einen Gespenst erblickt hätte. Es
war nicht nötig, mein Gesicht in diese Richtung drehen, um zu sehen, was er mir
mitzuteilen versuchte... Ich spürte, wie ich leicht erschauderte, als ich
verstand, dass Robin in die Bar eingetreten war! Bevor mich die Panik
überwältigen konnte, bediente ich mich der Routine, die ich während des
Studiums reichlich sammelte und konzentrierte mich auf meinen Atem. Ich
beruhigte meinen Zwerchfell, das anfing zu zittern und sang weiter wie ein
Profi, der sich seinen Zustand nicht anmerken ließ. Es gelang mir wieder die
Kontrolle über meinen Körper zu erlangen und ich sang den Refrain souverän und
mit voller Power. Die ganze Zeit schaute ich gerade aus und bemerkte, wie Tom
seine Theke verließ. Kurz bevor ich das Lied beendete, erschien er neben mir
und stellte ein neues Glas Champagner auf den Flügel. Aufgeregt flüsterte er
mir zu: "Robin ist hier, das ist von ihm, er fragte mich, was du
trinkst!" Mit dem alten, noch halb vollen Glas auf dem Tablett verließ er
mich auch schon gleich und kehrte zum Tresen zurück. Es ist alles nur ein
Traum, oder? Mein Fuß auf dem Pedal fühlte sich plötzlich so fremd und
kraftlos an, als ob er nicht mir gehören würde, doch ich spielte das Stück
erfolgreich zu Ende. Der letzte Akkord klang noch nicht ganz aus, als ein
Applaus die Stille im Raum unterbrach und mich zwang, tief Atem zu holen.
Langsam drehte ich mich nach rechts und erblickte Robin und Tony, seinen
Keyboarder, die nur zwei Tische entfernt von mir saßen und applaudierten. Mit
leichter Kopfneigung bedankte ich mich und lächelte sie zurückhaltend an. Robin
trug wieder langes Haar, das ihm weich fallend über die Schultern reichte und
sein ovales Gesicht schmeichelhaft umrahmte. Mit dieser Frisur und nur vom
Kerzenschein ausgeleuchtet kam er mir plötzlich wie ein Botticellis Engel vor –
unirdisch schön, doch mit betont sinnlicher Aura. Er hob sein Glas und prostete
mir mit seinem typischen Lächeln zu, wobei er seinen linken Mundwinkel leicht
nach oben zog. Wie im Traum erwiderte ich die Geste und trank einen Schluck.
Meine Hand zitterte erfreulicherweise nicht dabei. In aller Ruhe schob ich mir
die Haare aus dem Gesicht und streifte sie hinter die Ohren. Die störten mich
sonst beim Spielen und diese kleine, fast rituelle Bewegung verhalf mir immer
dabei mich auf neues Stück einzulassen. Das kann nicht wahr sein, ich träume
nur!, schossen mir wieder verwirrte Gedanken durch den Kopf und am liebsten
wollte ich laut auflachen, so unwahrscheinlich kam mir die Situation vor. Aber
ich sammelte mich gleich, noch bevor mich die Hysterie überwältigen
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